300 Tonnen Munition pro Tag: Die Gefechtstechnik der Wagner-Gruppe

Ukrainischer Soldat in einer Stellung bei Bachmut
"Wenn die Wagner-Gruppe sterben sollte, dann nicht durch die ukrainische Armee oder die NATO, sondern durch unsere heimischen Bastard-Bürokraten“, polterte ein verärgerter Jewgeni Prigoschin in einem seiner Videos. Mindestens dreihundert Tonnen an Artilleriegranaten bräuchte er pro Tag, um seinen Angriff auf die ukrainischen Streitkräfte bei Bachmut fortzusetzen. Bei einem Gewicht von 47 Kilogramm pro Granate wären dies etwa 6.383 Granaten pro Tag – etwa 30.000 verschießen die russischen Streitkräfte täglich.
Doch auch die Ukraine hat massiven Munitionsmangel zu beklagen:
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Rhetorische Ausritte des Wagner-Chefs gegen russische Militärs sowie die russische Bürokratie sind nicht neu, bereits öfter hatte er mit einem Abzug seiner Söldner gedroht, die als das wichtigste Element in der neun Monate andauernden Belagerung Bachmuts gelten. Und das tun sie trotz der Drohungen weiterhin. Mehr als 85 Prozent der Stadt dürften sich in russischem Besitz finden.
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Warum aber benötigt die Wagner-Gruppe mehr als 6.000 Granaten täglich?
Die Gefechtstechnik der Söldnertruppe orientiert sich stark am sogenannten "Angriffsverfahren Ost“, also massivem Artillerieeinsatz gegen ukrainische Stellungen, ehe dann mit Angriffstrupps und "flankierender Feuerunterstützung“ angegriffen wird. Ein großer Unterschied zu den relativ starren, russischen Kommandostrukturen ist, dass die Kommandanten der Wagner-Gruppe mehr Freiheiten in ihren Entscheidungen haben, also schneller auf eine Lage reagieren können.
Die folgenden Grafiken sollen einen typischen Wagner-Angriff auf eine ukrainische Schützengruppe (acht bis zehn Mann) veranschaulichen:





Dabei dürften die ersten Angriffstrupps zumeist aus aus Gefängnissen rekrutierten Straftätern bestehen, die – wenn sie überleben – ihre Freiheit wiedererlangen. Im Februar wurde diese Praktik gestoppt. Morde und Straftaten dieser Freigänger sorgen in Russland mittlerweile für Angst:
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Etwa 20.000 Kämpfer sollen auf russischer Seite beim Angriff auf Bachmut ihr Leben gelassen haben – unabhängig überprüfbar sind diese Zahlen nicht. Doch auf ukrainischer Seite sind die Verluste hoch. Regelmäßig schickt auch Kiew neue Einheiten zur Verteidigung der restlichen Stellungen in der Stadt.
Die Entscheidung, Bachmut weiter zu verteidigen, wird immer wieder mit folgenden Argumenten begründet:
- Ein weiterer russischer Vormarsch in Richtung der größeren Städte wie etwa Kramatorsk könne verhindert werden.
- Den russischen Truppen würden höhere Verluste zugefügt als die ukrainische Seite erleide.
- Die Verteidigung Bachmuts binde russische Truppen, womit eine ukrainische Gegenoffensive im Süden wahrscheinlicher werde. Tatsächlich zeigen Aufklärungsbilder, dass die russische Truppenpräsenz an der Südfront nach wie vor verhältnismäßig gering ist.
Wann die lange erwartete Gegenoffensive tatsächlich startet, ist nach wie vor unklar. Der Boden im Bereich möglicher Gegenangriffe ist allerdings nach wie vor sehr schlammig und würde einen raschen Vorstoß massiv erschweren.
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