Warum die Trennung von Lopez mehr interessiert als die Krisenherde Afrikas

Warum die Trennung von Lopez mehr interessiert als die Krisenherde Afrikas
Die NGO CARE hat ausgewertet, welche humanitären Krisen im Vorjahr am wenigsten mediale Beachtung erfahren haben.

115.541 Online-Berichte sind im Vorjahr zur neuerlichen Trennung des Hollywood-Paares Jennifer Lopez und Ben Affleck erschienen; 125.689 Online-Artikel waren es zur Reunion der Britpop-Band Oasis. Gerade einmal 1.956 Online-Artikel gab es zur Hungersnot und Rekorddürre in Angola, wo rund 2,2 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.

Diese Zahlen hat die internationale Nichtregierungsorganisation (NGO) CARE veröffentlicht. In ihrem alljährlichen Krisenreport werden die zehn humanitären Katastrophen, über die 2024 kaum berichtet wurde, thematisiert.

Dafür wurden mit dem Medienbeobachtungsdienst Meltwater 5,6 Millionen Online-Artikel, erschienen zwischen Anfang Jänner und Ende September 2024, in den Sprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch und Deutsch ausgewertet. Die am seltensten beleuchteten zehn Krisen haben es zusammen auf nicht einmal 90.000 Online-Berichte geschafft. Insgesamt sind rund 35 Millionen Menschen – rund viermal die Bevölkerung Österreichs – betroffen.

Die Rangliste:

1. Angola (1.956 Artikel)

Das Land im südwestlichen Afrika liegt zum schon dritten Mal in Folge an der Spitze des Krisenreports. 2,2 Millionen Menschen leben wegen der schlimmsten Dürreperiode seit 40 Jahren in einer prekären Ernährungslage, sauberes Trinkwasser ist Mangelware. 85 Prozent der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig, Saatgut und Setzlinge kaum vorhanden. Hauptursache ist der Klimawandel. Auch die Bildung ist ein Problem: Die Schulpflicht beträgt nur sechs Jahre, vor allem Mädchen werden gar nicht in die Schule geschickt. Zwei Millionen Kinder gehen nicht in die Schule.

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Tausende nehmen an der Demonstration "Für ein hungerfreies Angola" gegen den Hunger teil, zu der die Oppositionsparteien aufgerufen haben.

2. Zentralafrikanische Republik (4.012 Artikel)

Es dringen kaum Informationen nach draußen, im Land selbst sind nur noch wenige Hilfsorganisationen tätig. Die Krise selbst herrscht seit zumindest zwölf Jahren und wird vor allem von einem Konflikt befeuert, der ethnische, religiöse und politische Ursachen hat. Die Folgen sind Vertreibung und eine erschwerte Versorgungslage. 2,8 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe, ein Fünftel der 5,8 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung ist auf der Flucht. Mehr als 2,5 Millionen Menschen haben zu wenig zu essen.

3. Madagaskar (5.915 Artikel)

Die Insel im Indischen Ozean gilt als einzigartiges Naturparadies, für den größten Teil der Bevölkerung stellt sich dies aber anders dar. Mehr als 80 Prozent müssen mit 2,15 US-Dollar (2,11 Euro) pro Tag auskommen, der Inselstaat zählt zu den zehn ärmsten Ländern der Welt. Langanhaltende Dürreperioden und heftige Wirbelstürme belasten die 31,1 Millionen Menschen. Jedes vierte Kleinkind ist chronisch mangelernährt. Berühmt ist Madagaskar unter anderem für die Produktion und den Export von Vanille und Inhaltsstoffen von Kosmetika.

Warum die Trennung von Lopez mehr interessiert als die Krisenherde Afrikas

Der Inselstaat Madagaskar gilt als erstes Land mit einer durch den Klimawandel bedingten Nahrungsmittelknappheit.

4. Burkina Faso (7.606 Artikel)

Das Land ist seit rund einem Jahrzehnt von Gewalt und blutigen Auseinandersetzungen geprägt. 2022 übernahm das Militär in einem Putsch die Macht, die Gefechte vor allem im Norden und Osten des Landes dauern aber weiter an. Die Bevölkerung gerät oft ins Kreuzfeuer, humanitäre Maßnahmen sind eine kontinuierliche Herausforderung. Nach UNO-Schätzungen sind 6,3 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, 2019 lag diese Zahl noch bei unter einer Million, ein Anstieg um 660 Prozent in fünf Jahren. 2,7 Millionen sind von akutem Hunger bedroht.

5. Burundi (9.743 Artikel)

2024 führte das El Nino-Klimaphänomen zu sintflutartigen Regenfällen, Stürmen und Erdrutschen. Knapp 300.000 Menschen waren von den Wetterextremen betroffen, 48.000 Menschen mussten fliehen. In Burundi leiden 2,2 Millionen Menschen an akuter Ernährungsunsicherheit, davon 229.000 an extremem Hunger. Das Land hat dazu eine der höchsten Raten an chronischer Unterernährung bei Kindern weltweit, 52 Prozent der Kinder unter fünf sind betroffen.

6. Mosambik (10.082 Artikel)

El Nino, Dürre und Zyklone sowie ein seit 2017 andauernder Krieg in der Nordprovinz Cabo Delgado vertrieb viele Menschen. 1,7 Millionen Menschen waren in der Konfliktregion auf humanitäre Hilfe angewiesen, 583.000 wurden im Land vertrieben. In großen Teilen Mosambiks herrscht großer Wassermangel, die Menschen - vor allem Frauen und Mädchen - gehen oft stundenlang um Wasser, das von Trinkwasserqualität weit entfernt ist. 2,8 Millionen Menschen sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen.

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Mosambik kämpft mit politischer Instabilität, Islamismus, Dürre und Naturkatastrophen.

7. Kamerun (10.415 Artikel)

In Kamerun tobt seit 2017 ein Konflikt, der vor allem den Westen des Landes betrifft. Dazu kommen Anschläge in der Region des Tschadsees im Norden. 489.000 Flüchtlinge, vor allem aus der Zentralafrikanischen Republik und aus Nigeria, sind im Land. Dazu kommen eine Million Binnenvertriebene, 55 Prozent davon Kinder. 2,5 Millionen haben nicht genug zu essen, mehr als 600.000 keine Unterkünfte.

8. Malawi (11.077 Artikel)

Das Land befindet sich in einer der schwersten humanitären Krisen seiner Geschichte, für die wie in vielen anderen Ländern ebenfalls das Klimaphänomen El Nino verantwortlich zeichnet. Das Phänomen verursachte eine schwere Dürre, die Regierung löste im März 2024 den nationalen Notstand aus. Fast 40 Prozent waren von extremer Ernährungsunsicherheit betroffen. 6,1 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, 5,7 Millionen haben nicht genug zu essen. Auch die Inflation setzt den Menschen zu. Beim Mais etwa liegen die Preise um 160 Prozent über dem Fünfjahresdurchschnitt, was für die Menschen unerschwinglich ist. Frauen und Kinder sind oft Gewalt ausgesetzt, etwa beim Wasserholen.

Warum die Trennung von Lopez mehr interessiert als die Krisenherde Afrikas

Eine Demonstration gegen die Treibstoffknappheit in Malawi.

9. Sambia (13.061 Artikel)

Was für Malawi gilt, gilt auch für seinen Nachbarstaat Sambia. Das Land erlebte wegen El Nino 20245 eine der schlimmsten Dürren seit 40 Jahren. 9,8 Millionen Menschen waren betroffen. Das brachte zusätzlich eine Elektrizitätskrise mit sich, denn Sambia ist auf Wasserkraft angewiesen. Fünf Millionen Menschen hatten nicht genug zu essen.

10. Niger (15.721 Artikel)

Das Land im Herzen der Sahel-Zone gehört zu den ärmsten der Welt, 4,5 Millionen Menschen, 17 Prozent der Bevölkerung, waren auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der nationalen Einkommensgrenze, 3,4 Millionen haben nicht genug zu essen. Zu den Problemen durch Hitze und Trockenheit kommen die Konflikte in der Region. Das bedingt zahlreiche Flüchtlinge: Neben 507.000 Binnenvertriebenen befinden sich 416.000 Geflüchtete vor allem aus Mali und Nigeria im Niger.

Warum die Trennung von Lopez mehr interessiert als die Krisenherde Afrikas

In West- und Zentralafrika waren im Vorjahr Millionen Menschen von Überschwemmungen betroffen.

Auch auf den Plätzen elf bis 20 dominieren Staaten in Afrika: Mali landete auf Platz elf vor Uganda. Platz 13 belegte Nordkorea vor Mauretanien, El Salvador, Peru, Simbabwe, Südsudan und Somalia. Platz 20 der am wenigsten beachteten Krisen ging an Honduras.

"Klimawandel betrifft uns alle"

Für Chikondi Chabvuta, politische Beraterin für das südliche Afrika bei CARE Malawi, sind die geringe Medienpräsenz und das kaum existente Interesse nicht überraschend: "Die globale Aufmerksamkeit ist da, wenn etwas Unerwartetes passiert, etwas Aktuelles", etwa wenn eine Umweltkatastrophe zahlreiche Tote fordere. Das sei bei vielen der Krisen nicht der Fall, viele von ihnen dauern seit Jahren an.

"Menschen wollen Entertainment und positive Nachrichten, das wollen wir ihnen nicht wegnehmen." Doch der Krisentreiber Klimawandel zeige etwa, dass es sich bei der Ursache um eine globale Herausforderung handle: "Der Klimawandel passiert nicht nur in Malawi, das ist ein globales, ökonomisches Problem, das uns alle betrifft."

Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von CARE Österreich, sagte bei der Pressekonferenz am Dienstag: "Wir alle suchen eher nach guten Nachrichten. Aber wir sehen, dass der Bedarf nach humanitärer Hilfe steigt, während die finanziellen Mittel zurückgehen. Wer übersehen wird, bleibt abgeschlagen."

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