Uganda: Die jüngsten Mütter sind selbst noch Kinder

„Lasst Mädchen Mädchen sein“, fordern Hilfsorganisationen auf kleinen, an brüchige Wände genagelten Schildern. Darunter zwei Bilder: eine junge Frau mit besorgtem Gesichtsausdruck und Babybauch, daneben lächelnde Schülerinnen auf dem Weg zum Unterricht. Dabei scheint das Schicksal vieler, die den gut gemeinten Appell sehen, längst besiegelt.
Hier, im Gesundheitszentrum 4 der Rhino-Flüchtlingssiedlung im Norden Ugandas kämpfen Frauen ums Überleben – ihr eigenes und das ihrer Babys. Sie kommen aus dem Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo oder Somalia, aber auch Uganderinnen aus der Umgebung sind auf medizinische Hilfe im Camp angewiesen.
Der einzige Raum mit Betten, zehn sind es aktuell, ist überfüllt, Mütter und Schwangere liegen auf dem Boden vor dem Eingang. Manche haben ihre Augen geschlossen. Andere reden miteinander, lächeln milde. Kinder laufen herum. Männer sind kaum zu sehen.
Vier Geburten auf einmal
An vielen Tagen heißt die Frau, auf die die Patientinnen warten, Munguci. Die 23-Jährige ist eine von sechs Hebammen im Zentrum. Sie wechseln sich mit den Früh-, Spät- und Nachtschichten ab, teilweise arbeiten sie die Woche durch. Manchmal muss eine von ihnen bis zu vier Geburten auf einmal betreuen, sagt Munguci während einer Pause. „Dann ziehe ich mir mehrere Paar Handschuhe übereinander an und streife eins ab, sobald ein Baby da ist, damit ich sofort zur nächsten Frau weiterkann.“ Häufig kommt es aber zu Komplikationen.

Hebamme Munguci
Weil das Zentrum das einzige mit OP-Saal im Bezirk Madi-Okollo ist, wo derzeit mit den Geflüchteten etwa 360.000 Menschen leben, kümmert man sich hier um viele Risikoschwangerschaften. Zahlreiche Frauen werden bereits im Teenager-Alter, manche auch schon mit 10, 11 oder 12 Jahren, schwanger.
Viele von ihnen wurden vergewaltigt. Andere wussten nicht, dass sie von Sex schwanger werden können. Oder sie glauben gängigen Falschinformationen um Verhütungsmittel – etwa, dass eine Frau nie schwanger werden kann, wenn sie einmal verhütet.
Körper oft noch nicht ausreichend entwickelt
Die Körper so junger Frauen sind für eine Geburt oft noch nicht ausreichend entwickelt, sie haben öfter Infektionen, ihre Babys kommen tendenziell zu früh zur Welt. Oft sind die werdenden Mütter auch zu schwach für die Geburt. Sie sind nicht nur hungrig und durstig, wenn sie ins Zentrum kommen, sondern manchmal auch kilometerweit, allein und bei sengender Hitze zu Fuß marschiert.

Hier hat Munguci schon vier Geburten gleichzeitig betreut
„Wir versuchen es dann mit gezuckertem Tee und Infusionen“, sagt Munguci. Wenn nichts hilft und das Baby raus muss, braucht es einen Kaiserschnitt. Bis vor einem Jahr gab es kein Anästhesiegerät, die Frauen wurden im Notfall ohne Narkose aufgeschnitten.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Stress, der mit ungeplanten Teenager-Schwangerschaften einhergeht, sagt die Hebamme. „Die Frauen sind nicht verheiratet und werden verurteilt.“ Und die Väter? „Manche behaupten, sie hätten nie Sex mit den Frauen gehabt, und laufen weg.“
100 Mitarbeiter zu wenig
Ein großer Teil von Mungucis Job ist es, ihren Patientinnen in solchen Situationen zuzuhören, ihnen Rat zu geben und sie in Verhütungsfragen aufzuklären. Sie leide und freue sich mit ihnen, sagt sie. Eigentlich liebe sie ihre Arbeit, oft sei sie aber völlig erschöpft. Das sagen viele in ihrem Team.

Es mangelt an Medikamenten, besonders Schmerzmittel sind rar.
Insgesamt arbeiten 34 Personen im Zentrum, darunter drei Ärzte – angesichts der rund 1.200 Patientinnen pro Woche gut 100 zu wenig. Nur ein Teil der Belegschaft wird von der Regierung bezahlt, die anderen von Hilfsorganisationen aus dem Ausland. Munguci bekommt ihren Lohn von der NGO Care, die auch ihre Ausbildung finanziert hat.
Hilfen aus dem Ausland reichen nicht
Der Bedarf an Hilfe in Uganda ist groß, nicht zuletzt aufgrund des Bürgerkriegs im Sudan seit April 2023. Vor Ort aktive Organisationen berichten aber von immer mehr Schwierigkeiten, Hilfsprojekte finanzieren zu können – im Westen liegt der öffentliche Fokus stark auf den Kriegen in der Ukraine und in Gaza.
Uganda ist eines der ärmsten Länder der Welt, für seine offene Asylpolitik bekannt und bietet derzeit etwa 1,7 Millionen Geflüchteten Heimat – in keinem afrikanischen Land sind es mehr. Die meisten sind in Siedlungen im Norden und Westen untergebracht.
Die NGO Care unterstützt die Geflüchteten in Uganda mit verschiedenen Projekten. Ein Fokus liegt auf Müttergesundheit und der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt.
Auch Munguci weiß nicht, wie es mit ihr weitergeht. Ende August läuft das Projekt aus, mit dem sie bezahlt wird. Dabei werden sie und ihr Freund bald höhere Ausgaben haben: Munguci ist im sechsten Monat schwanger – ein Wunschbaby, sagt sie stolz.
Die Reise fand auf Einladung von CARE Österreich und der Scheuch Foundation statt.
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