Ihren Ausgang nahm die Tragödie im April dieses Jahres, als die einst verbündeten Putschistengeneräle Abdel Fattah Burhan, Militärchef und De-facto-Machthaber des Sudan, und sein damaliger Stellvertreter, Milizführer Mohammed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft im ressourcenreichen Land entfachten.
10 Millionen Vertriebene im Land
Die bisherige Bilanz ist grauenhaft: Neben Tausenden Toten wurden allein in diesen sieben Monaten 6,3 Millionen Menschen vertrieben. Zusammen mit 3,7 Millionen Sudanesen, die bereits in vorangegangenen Konflikten ihr Zuhause verlassen mussten, gibt es in dem drittgrößten afrikanischen Staat schon zehn Millionen intern Vertriebene (IDPs) – das ist trauriger Weltrekord.
Dazu kommen 1,1 Millionen Ausländer, die im Sudan Zuflucht gesucht haben. Umgekehrt sind 1,4 Millionen Sudanesen in Nachbarländer geflüchtet. Die Versorgung mit Wasser und Strom ist in vielen Landesteilen mittlerweile komplett zusammengebrochen. Damit wächst die Gefahr eines großflächigen Seuchenausbruchs.
Und die Situation auf den Schlachtfeldern deutet darauf hin, dass sich die Lage weiter verschlechtern dürfte. Die „Rapid Support Forces“ (RSF) von Hemeti erzielten zuletzt große Geländegewinne. Sie kontrollieren weite Teile des Landes und auch Gebiete bei und in der Hauptstadt Khartum.
"Der Sudan ist gestorben. Und niemand hat den Nachruf geschrieben." - Nathaniel Raymond, Konfliktforscher der Universität Yale
Und auch die Region Darfur ist mittlerweile großteils RSF-Territorium. Dort war es bereits ab 2003 zu einem Völkermord an nicht-arabischstämmigen, schwarzen Volksgruppen gekommen – durch die sogenannte Janjaweed-Reitermiliz. Aus dieser ging die RSF letztlich hervor, und die Geschichte wiederholt sich nun.
Bewaffnete Trupps plündern, schleifen und brandschatzen ganze Dörfer, Frauen werden vergewaltigt, Männer in Reihen aufgestellt, erschossen und in Massengräbern verscharrt. Menschen, die diesem apokalyptischen Treiben entkamen, sprechen von der „Hölle auf Erden“.
Als letzten strategisch wichtigen Punkt in der Region hält die Staatsarmee SAF („Sudanese Armed Forces“) el-Fasher. Sollten die RSF und mit ihr verbündete Milizen auch die Hauptstadt von Norddarfur überrennen, ist Hemeti seinem Ziel nahe, ganz Darfur (etwa eineinhalbmal so groß wie Deutschland) zu kontrollieren – und damit auch die wichtigen Sprit- und Waffen-Versorgungsrouten aus Libyen.
Auch russische Söldner und Saudi-Arabien kämpfen um die Goldminen
Manche Analysten sehen bereits das Szenario eines zweigeteilten Landes mit dem Nil als Grenze. Wobei sie auch hinzufügen, dass sich die RSF wohl nicht damit zufriedengäben, keinen Meereszugang zu haben, was weitere Kämpfe wahrscheinlich mache. Jetzt schon kontrollieren die Milizen die Goldminen im Westen des Landes und die SAF die agrarischen Flächen im Osten sowie den wichtigen Ölhafen Port Sudan, den auch Hemeti im Visier hat.
Es sind diese natürlichen Ressourcen, die internationale Akteure in dem Konflikt mitmischen lassen: Ägypten, Eritrea und vor allem Saudi-Arabien auf SAF-Seite; die Vereinigten Arabischen Emirate und die russische Wagnergruppe auf RSF-Seite. Die Söldner im Dienst von Kremlchef Wladimir Putin haben es auf die Goldminen abgesehen und wollen mit Port Sudan einen Stützpunkt am Roten Meer.
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Politische Beobachter befürchten infolge dieser explosiven Gemengelage ein weiteres Abgleiten in eine vollkommene Anarchie, in der sich Warlords, Milizen, Ethnien, Islamisten (aus der Sahelzone) und Söldner in endlose Kämpfe verstricken. Jetzt schon formulierte Nathaniel Raymond, Konfliktexperte an der Yale University, gegenüber dem Economist: "Der Sudan ist gestorben. Und niemand hat den Nachruf geschrieben."
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