Zum blutigen Konflikt im Sudan: Wie Gold Nubiens Schicksal besiegelt(e)

UNESCO Weltkulturerbe seit 2011: Die nubischen Pyramiden von Meroe 200 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Khartum wurden ab 300 v. Chr. von den Königen des Reiches Kusch erbaut
In Khartum bekämpfen sich zwei Generäle bis auf Blut und stürzen das Land mit der reichen Geschichte ins Chaos. Erinnerungen an schwarze Pharaonen, Österreicher am Nil und schicksalhafte Goldfunde.

Der Beweis liegt im Museo Egizio in Turin – eine ägyptische Papyrusrolle aus der Zeit um 1300 v. Chr., die als älteste nubische Goldminenkarte gilt. „Schon für die alten Ägypter war der Sudan das Goldland“, weiß Michael Zach vom Institut für Afrikanistik der Uni Wien.

Gut 3.000 Jahre später wird hier wieder im großen Stil geschürft: Als Wanderarbeiter 2012 im Westen des Sudan auf eine Ader stießen, begann der neuzeitliche Goldrausch. Zeitweilig gruben 100.000 Menschen nach Einkommen, Aufschwung und einer besseren Zukunft. Einige wurden tatsächlich reich, doch im November 2017 nahm die Rapid Support Force (RSF) die Mine ein. Ihr Anführer Mohammed Hamdan Daglo wurde zum Goldkönig des Sudan. Dieser Tage ist der Warlord weltberühmt. Unter seinem Spitznamen Hemeti steht er im Zentrum der Gewalteskalation, die den Sudan seit Mitte April erschüttert: Seine RSF bekämpft die sudanesische Armee und deren Anführer Abdelfatah al-Burhan. Beide ehemals verbündeten Generäle wollen an die Macht.

Ohne die Goldvorkommen wäre es aber kaum denkbar, dass sich in einem der ärmsten Länder der Welt zwei Armeen mit Zehntausenden Soldaten bekämpfen, diagnostiziert die Neue Zürcher Zeitung. Und Sudan-Experte Zach ergänzt: „Zwei Alphatiere, die sich eine Hausmacht aufgebaut haben und um die Herrschaft kämpfen. Wobei es aber auch um Ressourcen geht. Denn allen Vorurteilen zum Trotz ist der Sudan ein reiches Land.“

Das hat einen dritten Player angelockt – auch die Wagner-Truppen sind an den Goldvorkommen interessiert.

von Michael Zack

Afrika-Experte

Fest steht, dass schon zu Zeiten der Pharaonen in großem Stil Gold abgebaut und nach Ägypten exportiert wurde. Dort entstanden kunstvoller Schmuck, Statuen, vergoldete Möbel. Sudan-Experte Zach: „Das ist der Grund, warum die Ägypter den nördlichen Teil des Sudan besetzt haben und warum der Sudan eine der ältesten Kolonien der Welt ist.“

Dabei sagen neueste Forschungen, dass das historische Nubien vergleichbar mit anderen Hochkulturen in Mesopotamien, Ägypten sowie Griechenland und eine der Wiegen der menschlichen Zivilisation sei.

„Syrische Zustände“

Dieser Tage sind genau diese Schätze aus der großen Vergangenheit in Gefahr: „Der Sudan ist reich an archäologischen Stätten und Museen. Das Wachpersonal ist geflüchtet. Die Museen sind ungeschützt.“ Die wissenschaftliche Community befürchtet das Schlimmste, vor allem für das Nationalmuseum in Karthum – ein großartiges Museum.

Ein Kollege, der im Sudan arbeitet, sagte mir, er fürchtet syrische Zustände.

von Michael Zach

Afrika-Forscher

Immer wieder wurde dem Land sein Reichtum zum Fluch. Nicht nur das Gold weckte Begehrlichkeiten. Der Sudan war lange wichtige Nachschubquelle für Sklaven.

Später legten Kolonialmächte ihre gierigen Finger auf Nubien. Die Briten wollten das Gebiet, weil das auch Kontrolle über den Suezkanal bedeutetet – und die Absicherung des schnelleren Seeweges nach Indien, wo das Herzstück des britischen Kolonialreiches lag. In London glaubte man, dass es unerlässlich wäre, den Nil, die Lebensader des Gebietes, zu kontrollieren.

Kolonialzeit

In der Folge förderte die Kolonialmacht nur eine extrem kleine einheimische Elite, die entlang dieser Lebensader siedelte. Der Rest des Landes, insbesondere der Süden, interessierte nicht. Im Norden förderten sie den Islam und die arabische Sprache, im Süden Christentum und Englisch. Im Norden investierten sie Mühe und Mittel, den Süden vernachlässigten sie. Prompt brach nach dem Ende der Kolonialisierung ein Bürgerkrieg aus. Der Süden bekämpfte den Norden.

Die aktuelle Krise ist vielschichtig, sie lässt sich durch Einzelfaktoren nicht erklären. Ein Blick in die Geschichte liefert aber Indizien, warum politische Auseinandersetzungen in dieser Region so oft in Waffengewalt ausarten.

Auch jene jungen Männer, die jetzt versuchen, als Söldner der RSF ihr Leben zu fristen, seien aus historischer Perspektive nichts Neues. „Die Rapid Support Force von General Hemeti ist aus dem legendären Dafour-Konflikt hervorgegangen. Doch schon 1820/’21 hat die ägyptische Besatzungsmacht auf sudanesische Söldner gesetzt“, erinnert Zach. 30.000 Nubier wurden versklavt. Man nannte sie „Sudan“, was einfach „Schwarze“ bedeutet.

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