Fruchtbare Böden, trotzdem Armut: Warum ein Land hungert
Plötzlich platzen die Wolken, und die Regentropfen prallen auf das Dach. So laut, dass man das Wort nicht mehr versteht. Der 25-jährige Sheraze Jussub blickt besorgt zum Himmel. Genau das habe er gemeint.
Dürre in Zeiten, in denen es eigentlich regnen sollte; plötzliche Sturzfluten, wenn Trockenzeit herrscht. Mosambik ist vom sich verändernden Klima extrem betroffen. Nach den verheerenden Zyklonen, die 2019 das Land verwüsteten, holte Mosambik im Klima-Risiko-Index sogar den traurigen Stockerlplatz des am stärksten von Extremwetterereignissen betroffenen Landes auf der Welt. Und die Zahl der Wirbelstürme nimmt jährlich zu, nicht ab.
Eigentlich hätte Sheraze Jussub gerne die Reisfelder gezeigt, die in der Umgebung angelegt sind. Reis gehört neben Mais, Bohnen und Maniok zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln in Mosambik. Doch die Felder sind vom Platzregen überschwemmt. Deswegen steht er in einer offensichtlich erst kürzlich erbauten Lagerhalle nahe der Großstadt Beira.
Um ihn herum schlichten Männer in blauen Anzügen, manche mit Mund-Nasen-Schutz im Gesicht, schwere, weiße Reissäcke aufeinander; ein paar haben sich neugierig um ihn gestellt. "Ursprünglich haben wir in der aktuellen Ernte mit knapp vier Tonnen Reis gerechnet. Jetzt werden wir wohl nur 800 Kilo bis eine Tonne ernten können", so der junge Mosambikaner.
Fruchtbarer Boden, aber wenig Ertrag
Mosambik steht hier beispielhaft für so viele Länder, vorwiegend sind sie auf der Südhalbkugel zu finden, mit den gleichen Herausforderungen: Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt Mosambiks beträgt knapp ein Viertel. Doch nur ein Bruchteil des eigentlich fruchtbaren Ackerlandes Mosambiks wird bewirtschaftet, der Flächenertrag ist gering. 90 Prozent der Bauern betreiben Subsistenzwirtschaft, das heißt, die Familien produzieren ausschließlich für den Eigenverbrauch. Es reicht nicht für ein wesentliches "Mehr", das am Markt verkauft werden könnte.
Dazu kommt, dass der Großteil der Anbaugebiete auf Regen angewiesen ist – eigene Bewässerungssysteme gibt es so gut wie keine. Dem World Food Programme zufolge kann sich die Hälfte der 33 Millionen Einwohner Mosambiks keine nahrhafte Ernährung leisten.
Jussub erklärt sich die Wetterereignisse der letzten Jahre mit dem Klimaphänomen El Niño, das Regen- und Trockenzeiten auf der Südhalbkugel durcheinanderwirbelt: "Anfang des Jahres herrschte Dürre, obwohl es eigentlich hätte regnen sollen. Das hat das Wachstum der Pflanzen verzögert." Forscher gehen davon aus, dass El Niño aufgrund der Klimaveränderung häufiger auftreten und heftiger ausfallen wird.
Doch selbst wenn Wetter und Klima mitspielen würden – genug Nahrung für eine Familie sicherzustellen oder gar einen Überschuss für den Verkauf zu produzieren, sei auch dann schwer, erklärt Máriam Abbas vom Observatório do Meia Rural, einem Thinktank in Maputo, der auch das Landwirtschaftsministerium berät. Hunger sei auch die Folge von Verwaltungsproblemen – und Interessenspolitik.
Hausgemachte Ernährungsunsicherheit
"Die meisten Bauern haben keinen Zugang zu Qualitätssaatgut oder Düngemittel, sie betreiben Landwirtschaft, nicht Viehwirtschaft, ihnen fehlt also auch natürlicher Dünger." Selbst wenn ein "Mehr" produziert würde: Oft scheitert der Transport an fehlenden Straßen oder Transportmöglichkeiten. Auch bei der Lagerung fehle es häufig an Wissen und Mitteln – Getreide werde in Lehm- oder Wellblechhütten aufbewahrt, zu feucht und zu warm. "Dadurch verringern sich die Erträge zusätzlich nach der Ernte."
Die häufige Unmöglichkeit der Lagerung führe dann zum nächsten Problem: "Wenn der Bauer seinen Überschuss sofort nach der Ernte auf den Markt bringt, weil er es nicht lagern kann, führt das zu einem Überangebot und einem niedrigeren Preis." Es sind die Basics der Volkswirtschaftslehre, an denen es scheitert.
In den vergangenen Jahren kam eine weitere, unbeeinflussbare Komponente dazu: der Krieg in der Ukraine. Hohe Importraten auf Getreide, Düngemittel und Sprit spürte vor allem die Bevölkerung in den Städten Mosambiks.
All die Faktoren führten, so Máriam Abbas, zu einer "chronischen Ernährungsunsicherheit" in einem Land voller fruchtbarerer Ackerböden. Die Zahl jener, die sich vor Hunger fürchten müssten, sei in den vergangenen Jahren trotz finanzieller Hilfe aus dem Ausland gestiegen.
Kritik an Regierung
Die Ökonomin sieht primär die Regierung in der Verantwortung: Das Ziel der Steigerung des Außenhandels und der Integration in den Weltmarkt dürfe nicht über dem der Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität stehen. Vor allem, weil man wisse, dass Armut Menschen auch in den Extremismus treiben könne. In der nördlichen und besonders armen Provinz Cabo Delgado wird die Not der Bevölkerung als Ursache für dort seit Jahren erstarkenden islamistischen Terror gesehen.
Abbas plädiert dafür, die Abhängigkeit ausländischer Hilfen zu reduzieren – etwa durch (höhere) Steuern auf internationale Konzerne. Diese dürften derzeit wertvolle Rohstoffe und Bodenschätze vergleichsweise kostengünstig in Mosambik abbauen. Das Land ist reich an Kohle, Grafit, Gold. 2011 wurde im Norden ein riesiges Erdgasvorkommen entdeckt, an dem Gas-Riesen aus der ganzen Welt interessiert sind: TotalEnergies aus Frankreich, die italienische Eni und die US-amerikanische ExxonMobil sind Hauptbetreiber der Gasförderung. Weiterverarbeitet werden die Ressourcen dann im Ausland. Auch das ist ein Problem: Dadurch werde Mosambik um die Wertschöpfung seiner Ressourcen und potenzielle Arbeitsplätze gebracht.
Das südostafrikanische Mosambik ist flächenmäßig zehnmal so groß wie Österreich, die Bevölkerung umfasst rund 33 Millionen Einwohner. Bis 2050 könnte sich diese Zahl verdoppeln. Der Human Development Index (HDI) der UN, der die Verteilung des Bruttoinlandprodukts, Lebenserwartung und Bildungsgrad misst, sieht Mosambik auf Platz 185 von 191. Dem Klima-Risiko-Index zufolge war 2019 kein anderes Land so stark von Extremwetterereignissen betroffen. Die Ernährungssicherheitslage im Land beurteilt der Welthunger-Index 2023 als ernst. Zivilbevölkerung und Regierung sind extrem auf internationale Unterstützungszahlungen angewiesen.
Hilfe auch dank österreichischer Mittel
Wie versucht die Regierung, das Ernährungsproblem zu lösen? Das Landwirtschaftsministerium finanziert mithilfe ausländischer (darunter österreichischer) Gelder Programme, die nachhaltigere und effizientere Anbautechniken unter Kleinbauern verbreiten und kleine Landwirtschaften in die Wertschöpfungskette integrieren sollen. Sheraze Jussub ist Teil eines solchen Programms. Er hat studiert, wurde von der Regierung ausgebildet und ist nun als "Trainer" für mehrere Bauern zuständig, die er betreut, mit Techniken, Saatgut, Dünger und Rat ausstattet.
Jussubs tägliche Arbeit ist nicht immer einfach. Mal ist der Sprit zu teuer, um zu den Bauern auf die Felder zu fahren. Oder die Straßen sind wegen der Sturzfluten überflutet und unpassierbar. Doch am Ende des Gesprächs lächelt er. Das Prasseln aufs Dach aufgehört, die Sonne brennt wieder auf die Lagerhalle – und die Reisfelder.
Hinweis: Die Reise erfolgte auf Einladung der ADA. Die Kosten wurden zum Teil vom KURIER getragen.
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