Investitionshub bis potenzieller Alliierter: Was treibt die EU in Afrika?
Soldaten mit einem runden EU-Emblem am Oberarm, darunter "Training Mission Mozambique". Dasselbe Zeichen tragen die grauen Geländewagen, denen man auf den Straßen in Maputo begegnet. In der Avenida de Julius Nyerere, benannt nach dem ehemaligen sozialistischen Präsidenten Tansanias, steht heute ein blau-gelb gestrichenes Haus – der Sitz der EU-Delegation.
Der afrikanische Kontinent ist für die EU Investitionshub, potenzieller Alliierter und ein Vorhof für die Umsetzung eigener Interessen, wie ein Blick auf das südafrikanische Mosambik zeigt. Doch es ist ein Tauziehen gegen andere Weltregionen wie die USA, China, Indien oder Russland. Der EU-Botschafter für Mosambik, der Italiener Antonino Maggiore, sagt zum KURIER ganz offen: "Es geht darum, unsere Werte und Interessen zu fördern und Verbündete zu finden."
"Bewusstsein, dass unser Modell nachhaltig ist"
Die sozialistische Vergangenheit Mosambiks ist auf den Straßen Maputos nach wie vor erkennbar: Wladimir Lenin, Ho Chi Minh, Kim Il Sung, ihnen allen ist eine Avenida gewidmet. Heute gibt es ein Mehrparteiensystem. Seit der Unabhängigkeit 1975 hat die linksgerichtete, ehemalige Befreiungsbewegung Frelimo alle Wahlen mit absoluter Mehrheit gewonnen; diese sind jedoch gekennzeichnet von Gewalt und Manipulationen, wie die EU kritisiert.
Die nächsten Wahlen finden am 9. Oktober statt, die EU wird wiederholt mit einer Beobachterdelegation vor Ort sein. "Es herrscht ein wachsendes Bewusstsein, dass unser Modell ein nachhaltiges ist", so Maggiore, meint damit europäische Regelwerke oder institutionelle Vorgehensweisen. Unlängst wurde ein Gesetz für mehr Transparenz bei der Verwendung von Einnahmen aus der Öl- und Erdgasförderung verabschiedet.
Gleichzeitig versucht man Wertevermittlung durch die Finanzierung von Entwicklungsprojekten. Die EU gehört zu den größten Gebern von Entwicklungsgeldern, zwischen 2021 und 2024 waren es 428 Millionen Euro – exklusive bilateraler Zahlungen der EU-Mitgliedsländer. Dieses Geld fließt in Entwicklungsprojekte, die die Interessen der zahlenden Länder und der Zentralregierung decken, etwa zum Aufbau nachhaltiger Landwirtschaft, in Nahrungsmittelsicherheit und die Stärkung demokratischer Strukturen.
Im Gegenzug erhofft man sich Unterstützung der europäischen Positionen auf diplomatischer Ebene – damit hielt sich Mosambik bisher aber zurück, vor allem wenn sich die europäische Position gegen jene anderer im Land agierender Weltmächte richtete: Bei der UN-Resolution zu Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine enthielt sich Mosambik; im UN-Sicherheitsrat, dessen Vorsitz Mosambik als nicht-ständiges Mitglied gerade innehat, stimmte das Land für einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg.
Wirtschaftliches Tauziehen gegen China
Die Bevölkerung ist, gemessen am BIP pro Kopf, eine der ärmsten der Welt; das Land reich an Kohle, Grafit, Gold. Die meisten internationalen Firmen seien europäische, so Maggiore, aufgrund der kolonialen Vergangenheit viele portugiesische. 2021 steckte in jedem dritten der 100 größten Unternehmen des Landes portugiesisches Kapital.
2011 wurde im Norden des Landes ein riesiges Erdgasvorkommen entdeckt, das Mosambik zum viertgrößten Exportland von Flüssiggas machen könnte. TotalEnergies aus Frankreich, die italienische Eni und die US-amerikanische ExxonMobil sind die Hauptbetreiber der Gasförderung. Maggiore spricht nicht nur von einer wirtschaftlichen Chance für Mosambik, sondern auch für die EU – trotz des übergeordneten Ziels, die Europäische Union bis 2050 klimaneutral zu machen.
Nicht nur Europa will an Afrika verdienen: Der chinesische Einfluss zeigt sich in Form von chinesischen Supermärkten und Tankstellen. Staatliche Projekte werden meist an chinesische Firmen vergeben. Im öffentlichen Nahverkehr fahren Busse der Marke Zhongtong; sowohl das nationale Prestigeprojekt, eine 700 Meter lange Hängebrücke in Maputo, als auch den Präsidentenpalast haben Chinesen gebaut.
Die Folge: 2023 hielt China rund 16 Prozent der gesamten externen Staatsschulden Mosambiks (1,6 Milliarden US-Dollar); auf Portugal entfielen 4,4 Prozent der Gesamtschulden (452,3 Millionen US-Dollar).
Eurostat zufolge waren die EU-Mitgliedstaaten 2020 der größte Handelspartner Afrikas: 33 Prozent der afrikanischen Exporte gingen nach Europa (vorrangig Portugal, Zypern, Malta); 31 Prozent der Importe Afrikas kamen aus Europa (Frankreich, Deutschland). Es folgt China mit 17 Prozent der Exporte und 22 Prozent der Importe. Die meisten Waren aus der EU sind Fertigerzeugnisse, die afrikanischen Ausfuhren hauptsächlich unverarbeitete Rohstoffe.
225 Milliarden Euro betrug 2020 der Warenverkehr zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten und Afrika (China: 115 Mrd., USA: 38 Mrd.).
Das südafrikanische Mosambik ist flächenmäßig zehnmal so groß wie Österreich, die Bevölkerung umfasst rund 33 Millionen Einwohner. Bis 2050 könnte sich diese Zahl verdoppeln. Der Human Development Index (HDI) der UN, der die Verteilung des BIP, Lebenserwartung und Bildungsgrad misst, sieht Mosambik auf Platz 185 von 191. Dem Klima-Risiko-Index zufolge war 2019 kein anderes Land so stark von Extremwetterereignissen betroffen. Die Zivilbevölkerung und Regierung sind extrem auf internationale Unterstützungszahlungen angewiesen.
Unterstützung im Kampf gegen Terrorismus
Seit 2022 werden im Rahmen einer EU-Trainingsmission (EUTM) einige Tausend mosambikanische Soldaten für den Kampf gegen die Dschihadisten Al-Shabaab in Cabo Delgado ausgebildet und materiell ausgestattet und professionalisiert. Die Trainer sind Militärs aus 12 EU-Ländern, die Hälfte aus Portugal – die einzige Frau stammt aus Österreich.
Wenig ist bekannt über die Geschehnisse in der nördlichen Provinz; ob die Dschihadisten wirklich vom IS unterstützt werden, wie behauptet, oder ob dieser die Anschläge nur für sich reklamiert, ist unklar. Die Provinz – so groß wie Österreich – ist längst Umschlagplatz für Schmuggel von illegalem Holzabschlag oder Drogen; die Angriffe der Dschihadisten richten sich auch gegen die Infrastruktur der internationalen Gas-Konzerne. Die Provinz gilt als eine der ärmsten im Land; Frustration und Armut der Bevölkerung dürften ein Nährboden für die Dschihadisten gewesen sein.
Ein Ausbreiten des Terrorismus zu verhindern, sei auch im Interesse der EU, sagt Maggiore: Seit Ausbruch der Kämpfe 2017 mussten laut UNHCR rund 1,2 Millionen Menschen fliehen. Die meisten kamen in anderen Teilen des Landes oder in den Nachbarstaaten unter. Die EU-Mission, die im September ausgelaufen wäre, wurde unlängst bis 2026 verlängert und in eine beratende Unterstützungsmission (EUMAM) umgewandelt.
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