Strafzettel kommt per SMS
Beispielhaft wird häufig die Digitalisierung genannt, die in Ruanda wie in so vielen afrikanischen Staaten teilweise fortgeschrittener ist als in manchen Teilen Europas: Gesundheitsberatung und Testergebnisse kommen per SMS; Medikamente werden dank Drohnen bis vor die Haustür geliefert. Via Smartphone kann man sich jegliche Dokumente ausstellen lassen, unbürokratisch und ohne Warteschlage vor dem Magistrat.
"Sogar der Strafzettel fürs zu schnell Fahren kam wenige Minuten, nachdem ich geblitzt wurde, bereits per SMS", erzählt die Länderdirektorin der NGO Care in Ruanda. Der KURIER trifft die gebürtige Nordafrikanerin während eines Arbeitsbesuchs in Wien.
"Die Regierung hat viel investiert in die digitale Transformation, den Ausbau des Gesundheitssystems, dass Schulen nah und leicht zu erreichen sind. Diese Entwicklungsziele festigen auch das Vertrauen ausländischer Investoren und Hilfsorganisationen", so die Länderdirektorin.
Bedarf an humanitärer Hilfe
Denn trotz des Fortschritts gibt es nach wie vor großen Bedarf an humanitärer und Entwicklungshilfe im Land: Mit 13,7 Millionen Menschen gehört Ruanda zu den am dichtesten besiedelten Regionen Afrikas, über 38 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, 33 Prozent der Kinder sind unterernährt. Die Fertilitätsrate hat 2022 geschätzt rund 3,75 Kinder je Frau betragen.
Der Fortschritt der Digitalisierung ist enorm, doch der Weltbank zufolge haben 70 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu Internet. Klimawandelbedingte Extremwetterereignisse wie Starkregen oder extreme Dürre machen der Bevölkerung – mehr als zwei Drittel der Familien leben von Landwirtschaft – zu schaffen.
"Unsere Projekte, die unter anderem mit österreichischen Geldern von der ADA finanziert werden, bieten Kleinbauern, vornehmlich Frauen, zum Beispiel Schulungen und Methoden, um klimaresistente Landwirtschaft zu betreiben. Wir sorgen für faire Zugänge zu Finanzierungsmethoden. Von uns erhalten die Menschen kein Geld direkt. Sie investieren ihre eigenen Ersparnisse in ihre sich selbst gesetzten Ziele, wie der Erwerb einer Kuh. Dadurch stehen die Menschen selbst mehr hinter dem Projekt", sagt die Länderdirektorin von Care. Über eine Million Menschen erreiche Care mit seinen Projekten derzeit.
Was die Länderdirektorin kritisiert: "Hier wurde in den letzten Jahrzehnten so viel Entwicklung geschaffen. International wird das viel zu wenig beachtet."
Autoritärer Machthaber
Wenn es Ruanda in die heimischen Medien schafft, dann meist aufgrund des umstrittenen Asylabkommens mit Großbritannien, an dem London weiterarbeitet, oder wegen des Langzeit-Machthaber Paul Kagame, der seit dem Genozid regiert.
Kritiker sehen ihn als den Preis, den die Bevölkerung für den enormen Fortschritt in so kurzer Zeit zahlen musste. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Verfolgung und das Verschwinden von Regierungskritikern und Journalisten, bekannte Oppositionspolitiker werden von der Parlament- und Präsidentenwahl im Juli ausgeschlossen. Auch unterstützt der 66-jährige Präsident im Nachbarland Kongo die brutale Tutsi-Miliz M23, die die Grenzregion zu Ruanda kontrolliert. Das in Aussicht gestellte Asylabkommens mit Großbritannien wird von Kagame vorrangig als weitere "Finanzspritze" für Ruandas wirtschaftliche Entwicklung gesehen: 440 Millionen Euro plus 175.000 Euro pro aufgenommenen Flüchtling stellt Großbritannien in Aussicht.
Die Pläne, die Kagame für sein Land in naher Zukunft hat, sind ambitioniert: Bis 2035 will Ruanda zu einem Land mit mittlerem Einkommen aufsteigen, bis 2050 ein Land mit hohem Einkommen werden. Dabei hilft jede große staatliche oder private Auslandsinvestition, jeder Tourist – und jeder "digitale Nomade".
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