Die misslungene Zauberformel für die Migration

Flüchtlinge steigen aus einem Boot
Migranten in Ruanda loswerden? Politiker werden ihren Wählern eine bessere Lösung des Migrationsproblems bieten müssen
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Nächstes Jahr wird das Wahljahr der Superlative: Von Indien bis Mexiko, von Großbritannien bis in die USA, von der EU bis ins kleine Österreich (und viele Staaten mehr) wählt 2024 nahezu die halbe Bevölkerung der Welt. Zumindest in den westlichen Industriestaaten wird dabei ein Thema dominieren – die Migration – und könnte sogar die Sorgen um Arbeitsplätze, Inflation und den Klimawandel nach hinten verschieben.

Sie steigen wieder, so stark wie seit der großen Flüchtlingskrise 2015/’16 nicht mehr – die illegalen Ankünfte in Europa, die Zahl der Asylansuchen und die Forderungen, dass endlich, endlich eine Lösung gefunden werden muss, wie man der illegalen Migration Herr werden kann. 

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Nicht nur die österreichische Politik blickte deswegen gestern mit Spannung nach London, wo das Oberste Gericht über eine Maßnahme entschied, von der sich selbst einige Migrationsforscher eine Art Zauberformel erhofft hatten: Ruanda!

In den kleinen ostafrikanischen Staat wollte Großbritannien seine Asylsuchenden auslagern.

Doch das britische Höchstgericht sagte endgültig Nein: In Ruanda erwarteten Asylbewerber keine fairen Verfahren, begründete der Supreme Court seinen Richtspruch. Schon Monate zuvor hatte Dänemark seine Pläne auf Eis gelegt, ein Asylzentrum in Ruanda zu errichten.

Ist sie somit endgültig gestorben – die Idee, Asylsuchende von Europa aus in einen Drittstaat abzuschieben? Nach Ruanda mit Sicherheit, nicht aber in ein anderes Drittland, das sich bereit erklärt, Asylsuchende aufzunehmen. Ganze Heerscharen europäischer Politiker suchen derzeit nach so einem Ausweg. 

Italiens Deal mit Albanien

Italien etwa hat soeben mit Albanien einen Deal geschlossen, Verfahren für Flüchtlinge auf albanischem Boden nach italienischem Recht abzuwickeln. Das Wichtigste: Die Migranten dürfen noch keinen Fuß auf italienisches Land gesetzt haben. Denn hier liegt der Kern der europäischen Migrationsmisere: Wer es einmal auf das Gebiet der EU schafft, bleibt fast immer – egal, ob er Recht auf Asyl hat.

Die Hoffnung auf eine den Wählern leicht zu verkaufende Formel in der Migrationspolitik hat sich gestern nicht nur in Großbritannien erledigt. Jetzt, vor all den Wahlen, die anstehen, kommt es einmal mehr darauf an, zu erklären:

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 Wie vieler Anstrengungen es bedarf; wie viele Abschiebungen, schnellere Asylverfahren, besseren Außengrenzschutz, mehr Migrationsabkommen mit Herkunftsländern und Flüchtlingsdeals wie mit der Türkei es braucht, um Migration besser zu kontrollieren. Doch Politiker, die sich auf Zauberformeln verlassen, deren Anwendung die gültige Rechtslage in Europa ohnehin verbietet, laufen Gefahr, ihre Stimmen gleich an Rechtspopulisten oder Rechtsextreme zu verlieren.

Die misslungene Zauberformel für die Migration

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