Kennen Sie Getzner? Mit der Vermutung, dass der Name des Vorarlberger Textilunternehmens in Senegal bekannter ist als in Österreich, lässt sich jede Wette gewinnen. Sie sind im ganzen westafrikanischen Land überaus beliebt, die Stoffe und der Damast des Familienbetriebes aus Bludenz. Ein Minister in der Hauptstad Dakar soll die Textilien aus Österreich sogar so schätzen, dass er bereits den Spitznamen "Minister Getzner" erworben hat.
Was den Vorarlbergern schon vor vier Jahrzehnten gelang, nämlich auf dem afrikanischen Markt Fuß zu fassen, darauf hoffen auch viele andere österreichische Firmen. Und zwar bevor die Konkurrenten aus China die Europäer endgültig aus Afrika verdrängen. Und die Wettbewerber aus Katar, der Türkei und nicht zuletzt Russland schlafen schließlich auch nicht.
Afrika! Der Riesenmarkt! So viel Aufholbedarf, ein "Kontinent der Chancen", begeistert man sich plötzlich in der EU. Aber auch das erst, seit man entdeckte, dass Peking baut, kauft, investiert und vor allem Verbündete sucht in Afrika, was das Zeug hält.
Gemeinsam mit China
Und siehe da: Chinas Milliardenaufträge in den Staaten Afrikas machen sich auch geopolitisch bezahlt, mit seinem großen Geldgeber will man es sich eben nicht verscherzen. So enthielten sich etwa bei der UN-Generalversammlung im März 2022, als es darum ging, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen, 16 afrikanische Staaten – darunter auch Senegal –so wie auch China ihrer Stimme. Nur Äthiopen verurteilte Russlands Krieg.
Und so reiste Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) dieser Tage zum allerersten Besuch eines österreichischen Chefdiplomaten in den Senegal. Mit dabei: Vertreter österreichischer Unternehmen – von Spitalaustattern, Produzenten nachhaltiger Energieprojekte bis hin zu Brücken- und Maschinenbauern. Alles Bereiche, wo österreichische Firmen höchste Kompetenz haben. Aber null Chancen, überhaupt zu starten, wenn nicht ein Regierungschef oder ein Minister die allerersten Gespräche anschiebt.
Eine Ausschreibung gewinnen, Vertrag unterschreiben – und los geht's? Nicht in Afrika. Da könne es schon mal bis zu fünf Jahre dauern, bis ausreichend Vertrauen aufgebaut sei, schildert eine Kennerin der Lage: "Aber dann hält die Basis auch über Jahrzehnte, so kann man sogar einen Putsch überstehen."
Der Putschgürtel
Und Putsche gab es in der gesamten Nachbarschaft des Senegal, immerhin noch ein großer Anker politischer Stabilität in Westafrika, zuletzt genug. Erst in Mali, und dann folgten Guinea, Tschad, Burkina Faso, zuletzt auch noch Niger, dazwischen auch schon wieder der eine oder andere Gegenputsch.
Den Senegal mit seinen 18 Millionen Einwohnern aber bereiten die Aufwallungen in der Nachbarschaft weniger Sorgen als ganz Europa. Zwei große Ängste gehen nördlich des Mittelmeeres Hand in Hand. Der islamistische Terror beginnt sich wieder über die ganze Sahelzone auszubreiten – und große Flüchtlingsströme könnten sich wieder in Bewegung setzen.
Österreich hat keine gewaltigen Migrantenbewegungen aus Senegal zu vermelden. Ganze acht Asylanträge wurden im Vorjahr registriert. Doch wer sich aus Westafrika auf den Weg nach Europa macht, hat ohnehin meist Frankreich als Ziel vor Augen. Rückführungsabkommen seiner Auswanderer lehnt die Führung in Senegal kategorisch ab – kein Wunder, füllen die Rücküberweisungen von Auslandssenegalesen ans Mutterland immerhin rund 10 Prozent des Budgets.
Senegals Grenzen zu schützen oder Migranten anderer Länder vom Durchreisen abzuhalten – dabei leistet Österreich keinen Beitrag. Aber eine nicht unwesentliche Hilfe für seine Sicherheit bietet Österreich doch: Kampfschwimmer des Bundesheeres haben Spezialkräfte der senegalesischen Marine ausgebildet. Die sind heute in der Lage, Drogenschiffe zu kapern. Und das ist mehr als notwendig: Denn eine neue Drogenroute über den Atlantik – mit Endziel Europa – führt direkt an die Küsten Senegals.
Ein Ministerbesuch in einem afrikanischen Land – er kann keine Migrationsrouten sperren, aber er heimischen Unternehmen die Tür öffnen. Besonders dann, wenn man als Österreicher keine koloniale Vergangenheit hat. Inmitten deutlich spürbar antifranzösischer Stimmung, "begegnet Österreich den afrikanischen Ländern auf Augenhöhe", sagt Schallenberg, und mahnt davor, moralisierend und mit erhobenem Zeigefinger durch Afrika zu ziehen.
Umstrittener moralischer Anspruch der Europäer
"Die Chinesen bauen die Straßen und fragen nicht lange. Die Russen verkaufen uns die Waffen, aber die Europäer kommen mit ihren LGBTQ-Rechte daher." So und nicht anders sei die Wahrnehmung der Menschen in Senegal, erzählt Bakary Sambe, Gründer des Think Tanks Timbuktu Institut.
Dabei sieht Wahrheit anders aus. Gegenüber China wächst in ganz Afrika die Skepsis, und Europa ist nach wie vor der wichtigste Handelspartner und Geber im Senegal. Und dort, wo ab nächstem Jahr das große Geld sprudeln soll – nämlich bei der Gasförderung vor der senegalesischen Küste – wer kommt da zum Zug? Nicht China, nicht Saudi-Arabien und auch nicht wie bis zuletzt geplant die britische BP. Sondern: der amerikanische Konzern Kosmos Energy.
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