Was dafür spricht
Das gewichtigste Argument der Befürworter: Die Ukraine kämpfe nicht nur um ihr Überleben, sondern für uns alle – Putin werde an der Grenze nicht stoppen. Vor allem im Baltikum und in Moldau geht diese Angst um.
Diese Furcht hat den Westen schon bisher Waffen liefern lassen, wenn auch nur leichte. Auf schweres Gerät hat man verzichtet, weil das den Russen in die Hände hätte fallen können – das hat sich jetzt erledigt: Mittlerweile geht es nicht mehr nur um Verteidigung, sondern um die Rückeroberung besetzter Gebiete. Selbst ein Sieg der Ukraine scheint nicht ganz unmöglich.
Damit will man Putin zu nachhaltigem Frieden zwingen. Denn je schwächer die Ukraine am Verhandlungstisch ist, desto eher wird er es wagen, wieder die Panzer rollen zu lassen, so das Argument. Schließt man einen labilen Frieden, wäre die gesamte Region auf Dauer instabil.
Das Argument, die Lieferung von Panzern, Artillerie oder Flugzeugen könnte als Kriegseintritt gesehen werden, ist juristisch nicht haltbar. Völkerrechtlich sei das gedeckt – ist ein eindeutiger Aggressor auszumachen, ist Militärhilfe für den Attackierten zulässig, so der Politologe Carlo Masala von der Bundeswehruni München.
Freilich könnte man sagen, dass sich Putin auch bisher nicht ums Völkerrecht geschert hat. Wenn er einen Kriegsgrund sucht, wird er ihn finden. Nur: Im bisherigen Kriegsverlauf hat er seine Ziele mehr und mehr zurückgesteckt – weil die Ukraine mit Hilfe des Westens seine Armee zurückschlagen konnte. Und, wie der Sicherheitsexperte Frank Sauer sagt: "Er hat dem Westen von der ersten Minute an auch unverhohlen mit Nuklearwaffen gedroht – insofern hätte der Westen demnach von Anfang gar nichts tun dürfen."
Was dagegen spricht
Die große Angst der Gegner schwerer Waffen ist, dass sie Putin nicht Einhalt gebieten, sondern ihn lediglich zu mehr anstacheln würden – bis hin zu einem Nuklearschlag. Vor allem Deutschland, wo die Friedensbewegung traditionell stark war, treibt diese Sorge um: "Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem Dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben", argumentierte etwa der deutsche Kanzler Olaf Scholz, warum er und seine SPD sich gegen die Lieferung von Panzern und Artillerie stemmen.
Ein Argument dagegen ist auch, dass die schweren Geschütze gar nicht so effektiv seien, ihr Einsatz nur in einer massiven Materialschlacht enden würde. Leichte und mobile Waffen – etwa die jetzt gelieferten Kamikaze-Drohnen der USA, die autonom agieren können – brächten der ukrainischen Armee deutlich mehr Vorteile. Dazu kommt, dass etwa die deutschen Marder- oder Leopard-Panzer, die Kiew sich von Berlin wünscht, nicht so leicht bedient werden können – Fahrer brauchen Training, und das ist in Kriegszeiten schwer machbar.
Eine weitere Befürchtung ist, dass eine dauerhafte Militarisierung eines instabilen Landes wie der Ukraine nur zu Problemen führt – wird etwa die aktuelle Regierung gestürzt, hätte dies unabsehbare Folgen für die Region und ganz Europa. Kiew könnte die westlichen Waffen auch für einen Angriff auf russisches Territorium verwenden, so die Angst: Damit wäre der Westen völkerrechtlich nicht mehr ganz so unbeteiligt an dem Konflikt – und Putin könnte das als Einladung zu einem Gegenangriff auf die waffenliefernden Länder sehen. Für diesen Fall, so heißt es etwa im deutschen Verteidigungsministerium, brauche man das schwere Gerät ja selbst.
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