Wie der Krieg der "Bauernsprache" Ukrainisch zu neuem Leben verhilft

Wie der Krieg der "Bauernsprache" Ukrainisch zu neuem Leben verhilft
Sprache ist in der Ukraine nicht erst seit Putins Krieg eine Waffe, Ukrainisch wurde seit Jahrhunderten unterdrückt. Jetzt sprechen es viele wieder bewusst – eben wegen des Krieges.

Heißt es Kiew? Oder Kyiv? Wolodymyr – oder doch Wladimir?

Ob die ukrainische Hauptstadt und der Präsident des Landes aus dem Ukrainischen oder Russischen ins Deutsche übertragen werden, ist nicht nur eine Frage der Lesbarkeit. Es ist eine hoch politische Frage, die seit Jahrhunderten für Verwerfungen, Terror und Tote sorgt – und seit Wladimir Putin im Februar seine Panzer Richtung Kiew rollen ließ, ist die Sprache sogar zur Waffe verkommen. Der Kremlchef hat seine Soldaten ja angewiesen, die russischsprechende Bevölkerung vor ukrainischsprachigen Nationalisten – „Ukra-Nazis“ – zu „retten und befreien“.

Die „Herrensprache“

Putins Deutung ist, wie so oft in diesem Krieg, eine Verdrehung der Geschichte. Und sie macht ein komplexes Problem viel zu simpel: Denn weder ist es so, dass im Osten des Landes alle Russisch und im Westen alle Ukrainisch sprechen würden – so gut wie alle Menschen beherrschen beide Sprachen, manche besser, manche schlechter. Noch werden oder wurden die Russischsprachigen je unterdrückt. Im Gegenteil: Geknebelt wurde seit Jahrhunderten das Ukrainische – zugunsten des Russischen, das als „Herrensprache“, als Sprache der Kultur und der Eliten das Ukrainische verdrängen und sogar ersetzen sollte.

Die Wurzeln dieses Konflikts liegen schon im 18. Jahrhundert, sagt der Osteuropa-Experte Sergej Sumlenny, ehemals Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew. Die Ostukraine, verächtlich „Kleinrussland“ genannt, war da Teil des russischen Zarenreichs; Peter der Große etwa ließ ukrainische Bücher verbrennen – um jeglichen Widerstandsgeist im Keim zu ersticken. Auch alle Zaren nach ihm verfolgten diese Politik: „Theater, Gottesdienste, Gesang, nichts davon durfte auf Ukrainisch stattfinden“, sagt Sumlenny.

Stalin erhob diese Sprachpolitik, die Russifizierung, zum Leitmotiv. Das Ukrainische war neben dem Russischen nur mehr als Dialekt, als etwas Exotisches genehmigt; wer im Staatsapparat etwas werden wollte, durfte weder Ukrainisch sprechen noch traditionelle Bräuche pflegen. Man „kastrierte“ das Ukrainische ganz bewusst, sagt Sumlenny: „Wörter aus Wissenschaft und Technik wurden durch russische ersetzt.“

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