Guterres bei Putin: Spät werden auch die Vereinten Nationen aktiv

Putin und Guterres im Jänner 2020
Er galt bereits als „politisch ohnmächtig“. António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, der auf dem Papier wichtigsten Organisation zur Bewahrung des Friedens in der Welt, wirkt seit Beginn des Krieges in der Ukraine wie gelähmt. Der Portugiese beschränkt sich seit zwei Monaten auf regelmäßige Friedensappelle und scharfe Kritik an Wladimir Putin. Ernsthafte Vermittlungsversuche oder diplomatische Reisen blieben bisher aus.
Selten haben die Vereinten Nationen seit ihrer Gründung 1945 bei einem Konflikt derart hilflos zusehen müssen wie bei Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine. Das wurde schon zu Beginn deutlich, als Putin am 24. Februar genau dann den Angriffsbefehl gab, als sich gerade Vertreter des UNO-Sicherheitsrates zu einer Dringlichkeitssitzung zusammengesetzt hatten – in dem auch Russland ständiges Mitglied ist. Noch dazu eines mit Veto-Recht, weshalb russische Diplomaten jede kritische Resolution gegen ihr Land im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen verhindern können.
Der Druck auf Guterres ist wegen seiner politischen Untätigkeit zuletzt auch aus den eigenen Reihen gestiegen. Erst in der vergangenen Woche veröffentlichten 200 ehemalige hochrangige UNO-Funktionäre einen offenen Brief, in dem sie den Generalsekretär aufforderten, endlich mehr Präsenz zu zeigen und stärker an einer diplomatischen Lösung des Konflikts zu arbeiten. Abschließend heißt es sogar: „Uns entsetzt die Alternative, dass die Vereinten Nationen zunehmend an Bedeutung verlieren.“
Besuche bei Erdoğan, Putin und Selenskij
Es scheint so, als hätte die Kritik beim 72-Jährigen, der erst Anfang des Jahres in seine zweite Amtszeit gestartet war, Früchte getragen: Am Samstag hatte Guterres Briefe an die UNO-Vertretungen Russlands und der Ukraine verschickt und darum gebeten, in der jeweiligen Hauptstadt empfangen zu werden.
Nach einem Besuch beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Montag – dessen Regierung in diesem Konflikt bisher als Vermittler auftrat – reist Guterres am Dienstag weiter nach Moskau. Dort wird er von Putin empfangen, anschließend steht ein Arbeitstreffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow an. Am Donnerstag reist Guterres dann weiter nach Kiew für ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij.

Dem UNO-Chef zufolge gehe es bei der Reise darum, „dringende Schritte zur Herstellung von Frieden“ zu setzen; also eine Waffenruhe herbeizuführen. Die Erfolgsaussichten darauf sind im Grunde nicht existent, erst vor wenigen Tagen nahmen die Kämpfe wegen der russischen Großoffensive in der Ostukraine wieder stark zu. Doch alleine, dass es trotz Guterres’ scharfer Aussagen zu dem Treffen mit Putin kommen wird, sehen Beobachter als diplomatischen Erfolg. Auch, wenn der Kreml den Besuch wohl in erster Linie für Propagandazwecke nutzen wird.
Wo er doch noch Ergebnisse erzielen kann
In einer Sache könnte Guterres tatsächlich Ergebnisse auf seiner Reise erzielen. Schließlich steht der Generalsekretär auch den vielen UNO-Hilfsorganisationen vor, die auch in der Ukraine im Einsatz sind: Etwa der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder dem Flüchtlingshilfswerk (UNHCR).
In dieser Funktion stellen beide Kriegsparteien Forderungen an den Portugiesen. Im Fokus steht dabei weiterhin die belagerte Hafenstadt Mariupol, wo sich beide Seiten am Montag erneut nicht auf Fluchtkorridore für Zivilisten einigen konnten. Die Ukraine fordert, dass Guterres sich bei seinem Besuch in Moskau für eine Lösung einsetzt. Putin will dem Kreml zufolge lieber über die Situation im Mariupoler Asow-Stahlwerk sprechen, wo sich die letzten ukrainischen Verteidiger verschanzen.
Das zeigt, dass Guterres’ Reise zumindest keinen reinen Symbolcharakter hat. Sollte er damit gar die Flucht von Zivilisten ermöglichen, wäre sie ein Erfolg – auch gegenüber seinen Kritikern.

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