Angebliche Feuerpause für Stahlwerk, USA erhöhen Hilfe für Ukraine

A view shows a plant of Azovstal Iron and Steel Works in Mariupol
Ab 13.00 Uhr würden „alle Feindseligkeiten" eingestellt, teilte Russland mit, um Fluchtkorridore zu ermöglichen. Die Ukraine ist skeptisch.

Tag 60 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine:

Die russische Regierung hat am Montag einseitig eine Feuerpause für das Gebiet um das belagerte Asow-Stahlwerk in Mariupol angekündigt. Die russischen Truppen würden ab 13.00 Uhr (MESZ) „alle Feindseligkeiten einstellen, ihre Einheiten auf eine sichere Entfernung zurückziehen und den Rückzug“ der Zivilisten auf dem Gelände sicherstellen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. 

Die ukrainische Seite reagierte skeptisch. Man könnte der Ankündigung glauben, wenn die "Russen nicht schon oft humanitäre Korridore abgerissen hätten", schrieb Vize-Premierministerin Irina Werestschuk auf Facebook. Für Montag seien keinerlei Fluchtkorridore aus Mariupol vorgesehen.

Erstürmung geplant?

Präsidentenberater Olexij Arestowytsch sprach wenig später, ebenfalls auf Facebook, von einer geplanten Erstürmung des Stahlwerks durch russische Truppen. Diese würden durch Bombenangriffe aus der Luft und Artilleriebeschuss unterstützt.

Nach Angaben aus Kiew sollen sich neben ukrainischen Kämpfern rund 1.000 Zivilisten in dem Stahlwerk aufhalten. Dazu wurden in den vergangenen Tagen auch Videos veröffentlicht, auf denen Kinder und Frauen zu sehen sind. Nach russischen Angaben halten sich in dem Stahlwerk rund 2.500 ukrainische Kämpfer und ausländische Söldner auf. 

Hilfe aus USA

Wenige Stunden vor Verkündung der Feuerpause hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij in Kiew US-Außenminister Antony Blinken und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin getroffen. Es war der erste Besuch von hochrangigen Vertretern der US-Regierung seit Beginn des russischen Angriffs am 24. Februar. 

Blinken und Austin sagten der Ukraine während ihrer Gespräche mit Selenskij weitere US-Hilfen in Höhe von 322 Millionen Dollar (297,68 Mio. Euro) zu. Blinken kündigte laut US-Medienberichten zudem an, dass US-Diplomaten, die die Ukraine vor Beginn der russischen Invasion verlassen hatten, noch in dieser Woche in das Land zurückkehren würden. Danach reisten Austin und er weiter nach Polen.

Dort sagte Blinken, Russland habe seine Ziele im Krieg gegen die Ukraine klar verfehlt. Die Regierung in Moskau habe geplant, die Ukraine vollends zu unterwerfen und ihr die Souveränität und Unabhängigkeit zu nehmen. "Das ist gescheitert".

"Ukraine kann gewinnen"

Die Ukraine kann nach der Einschätzung von US-Verteidigungsminister Austin den Krieg durchaus gewinnen. „Sie können gewinnen, wenn sie die richtige Ausrüstung und die richtige Unterstützung haben“, sagte Austin. „Der erste Schritt zum Sieg ist der Glaube daran, dass man gewinnen kann“. Davon sei die Ukraine überzeugt.

Russland müsse hingegen weiter geschwächt werden. Durch den Krieg habe das Land bereits „viele militärische Fähigkeiten eingebüßt“ und viele Soldaten verloren, fügte der Minister hinzu. „Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es zu so etwas wie dem Einmarsch in die Ukraine nicht mehr in der Lage ist.

Außerdem wolle Biden die Militärhilfe für die Ukraine und 15 andere osteuropäische Länder um voraussichtlich weitere 713 Millionen Dollar (rund 662 Mio Euro) aufstocken, schrieb die New York Times. Dies solle unter anderem dem ukrainischen Militär die Umstellung auf modernere Waffensysteme ermöglichen, "die im Wesentlichen NATO-fähig sind". Die gesamte US-Sicherheitshilfe für die Ukraine seit Ende Februar belaufe sich damit auf etwa 3,7 Milliarden Dollar.

EU-Kommission plant "Form von Ölembargo"

Die Europäische Union bereitet indes weitere Sanktionen gegen Russland vor.

"Wir arbeiten an einem sechsten Sanktionspaket, und eines der Themen, die wir in Betracht ziehen, ist eine Form von Ölembargo", sagte Valdis Dombrovskis, Vize-Präsident der EU-Kommission, der britischen Zeitung The Times: "Wenn wir Sanktionen verhängen, müssen wir dies auf eine Weise tun, die den Druck auf Russland maximiert und gleichzeitig den Kollateralschaden für uns selbst minimiert."

Angriffe auf Bahnhöfe und im Osten

In der West- und Zentralukraine sind nach ukrainischen Angaben Montagfrüh mehrere Raketen eingeschlagen. Dabei seien auch fünf Eisenbahnbahnhöfe getroffen worden, teilte der Chef der ukrainischen Eisenbahn, Olexander Kamyschin, mit. „Die russischen Streitkräfte zerstören weiter systematisch die Infrastruktur der Eisenbahn“, sagte er.

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Im Osten der Ukraine hat das ukrainische Militär nach eigenen Angaben mehrere russische Angriffe abgewehrt. "In Richtung Isjum - Barwinkowe und Isjum - Kramatorsk hat der Feind Sturmversuche unternommen, aber keinen Erfolg gehabt, dabei hat er die Ortschaften Welika Komyschuwacha, Wirnopillja und Nowa Dmytriwka beschossen", teilte der Generalstab am Montag mit.

Im Bereich Donezk und weiter südlich beschränkten sich die russischen Kampfhandlungen demnach vor allem auf starkes Artilleriefeuer auf die ukrainischen Stellungen. Einzig in der seit Wochen umkämpften Kleinstadt Popasna habe es weitere Sturmversuche gegeben.

In der Stadt Mariupol sei das Stahlwerk Asowstal mit Bomben und Raketen beschossen worden, heißt es weiter. Zu eigenen Verlusten machte der Generalstab dabei keine Angaben. Die russische Seite soll 13 Panzer und darüber hinaus weitere Militärtechnik verloren haben.

Offensive in Selenskijs Heimatstadt?

Krywyj Rih, die Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten, bereitet sich unterdessen auf einen Angriff russischer Truppen vor. Die ukrainischen Streitkräfte rechneten mit einer Offensive in den kommenden Tagen, schrieb der örtliche Militärchef Oleksandr Wilkul im Online-Dienst Telegram am Sonntag. Man habe mehrstufige Verteidigungslinien aufgebaut und versuche, Zivilisten aus gefährdeten Gebieten zu bringen.

Krywyj Rih ist unter anderem dank der Eisenerzförderung ein wichtiges Industriezentrum für die Ukraine. Die Stadt liegt zentral im Süden der Ukraine, nördlich von Kherson, das als erste große Stadt schon zu Beginn des Krieges von russischen Truppen besetzt wurde. In den vergangenen Wochen wurde die Stadt wiederholt Ziel von Raketenangriffen.

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