Jusos: "Was die SPD macht ist mutlos"

Die Jusos sind gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot.
GroKo? Während die SPD-Spitze weiter alle Optionen offen lässt, leistet der Parteinachwuchs Widerstand.

Kurze Aufregung im Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale in Berlin-Kreuzberg. Journalisten starren auf ihre Handys, stecken die Köpfe zusammen. "Grünes Licht für GroKo", meldet die BILD-Zeitung nach dem Treffen von Schulz, Merkel und Seehofer beim Bundespräsidenten. Leises Geraune, als SPD-Chef Martin Schulz das Podium betritt. Und gleich ausholt, dass die Meldung "schlicht falsch" sei und aus Unionskreisen komme. Er habe schon mit der Kanzlerin telefoniert und ihr gesagt, dass dies "inakzeptabel" sei. "Wer Falschmeldungen in Umlauf setzt, zerstört Vertrauen." Für ihn seien weiterhin alle Optionen offen.

#NoGroko

Nicht so für den Parteinachwuchs. Die Jusos (Jungsozialisten) veröffentlichten gestern früh eine Petition, in der sie Mitglieder aufrufen, zu unterschreiben, um das derzeit wahrscheinlichste Szenario zu verhindern: eine Große Koalition. Kevin Kühnert (28), neu gewählter Vorsitzender, will damit jenen eine Stimme geben, die in der aktuellen Diskussion nicht vorkommen, erklärt er im KURIER-Interview.

KURIER: Sie haben erbitterten Widerstand gegen eine Große Koalition angekündigt, was befürchten Sie?

Jusos: "Was die SPD macht ist mutlos"
Kevin Kühnert

Kevin Kühnert: Wir haben seit 2005 acht Jahre lang eine Koalition gehabt, meine Generation ist ein Stück damit groß geworden; und wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele zukunftsweisende Entscheidungen nicht getroffen bzw. immer vertagt wurden, etwa beim Rentensystem. Mal wurde hier eine Schraube gedreht, dann wieder an anderer Stelle. Aber, die eigentliche Frage, ob wir in 20 bis 30 Jahren noch ein Rentensystem für alle haben, ist nicht entschieden worden. Für viele Menschen ist das keine zufriedenstellende Politik und sie haben zu Recht das Gefühl, dass Zukunft verpennt wird. Was sich viele wieder wünschen: politische Auseinandersetzungen, bei denen um Themen gerungen wird.

Momentan deutet aber einiges darauf hin, dass es wieder zu einer Koalition kommt. Sind Sie enttäuscht, dass Ihr Parteivorsitzender wieder einen anderen Kurs eingeschlagen hat?

Ich bin nicht nur von ihm persönlich enttäuscht, sondern auch vom Parteivorstand insgesamt. Er hat zwei Mal einen einstimmigen Beschluss gefasst, dass man mit uns über alles reden kann - nur nicht über eine GroKo. Das ist keine Verweigerung, sondern eine politische Prioritätensetzung. Und schon einen Tag später, war die alles nicht mehr gültig. Von einem Vorstand erwarte ich mir etwas anderes. Zum Beispiel eine Debatte zu führen und kontrovers abzustimmen, da hat doch jeder Verständnis dafür. Die SPD ist eine Fortschrittspartei, es geht auch darum, Neues auszuprobieren, mal falsch zu liegen. Was die SPD gerade macht ist mutlos.

Und was erwarten Sie sich nun von der Petition?

Der Schwenk des Vorstands sorgte für Irritation in der Partei, viele fühlen sich davon nicht vertreten. Und wir haben auch den Eindruck, dass dort etwas vorgelegt wird, das sich einige Leute im Parteivorstand ausgedacht haben, darin aber nicht im Ansatz einfließt, wie die Breite der SPD denkt. Wir wollen damit jenen eine Stimme geben, die in der aktuellen Diskussion nicht vorkommen.

Sie haben auch damit gedroht, am Parteitag bei Bedarf einen Antrag zur Ausschluss der Großen Koalition zu stellen.

Das hängt jetzt davon ab, was der Parteivorstand am Montag beschließen wird (Schulz will dem Parteivorstand am Montag vorschlagen, über alle Szenarien zu sprechen, Anm.). Wir wollen jedenfalls den ersten Beschluss des Vorstands stützen und zeigen, dass dies die richtige Position war.

Und was ist mit der staatspolitischen Verantwortung der SPD?

Niemand muss die SPD in puncto Verantwortung belehren. Wir haben in den letzten 20 Jahren so viel Verantwortung getragen, wie keine andere Partei. Es ist nicht so, dass wir uns per se verweigern. Verantwortung trägt man auch in einer Opposition. Jetzt wo wir sieben Parteien im Parlament haben, davon eine rechtspopulistische bis rechtsradikale AfD mit 13 Prozent, geht es auch um die Führung der Opposition. Würde die SPD in eine GroKo gehen, dann bekäme die AfD diese Rolle. Und Alexander Gauland wäre immer der Erste, der auf eine Regierung antwortet und als Chef-Gegner fungieren würde. Das muss im Interesse aller verhindert werden.

Dennoch liebäugeln einige in Ihrer Partei mit der Vorstellung, mitzuregieren - so nach dem Motto von Franz Müntefering: "Opposition ist Mist"...

Jusos: "Was die SPD macht ist mutlos"
Epa06349063 A member of the Jusos show a transparent with letters 'NO GROKO' during the Juso Federal Congress in Saabruecken, Germany, 24 November 2017. The Juso Federal Congress takes place from 24 - 26 November in Saarbruecken. EPA/RONALD WITTEK

Ich glaube, dass sie einem Irrglauben unterliegen. Zwei Mal sind wir schon in eine Große Koalition eingetreten mit der festen Absicht, unsere Positionen deutlich zu machen, sichtbare Erfolge einzufahren. Das haben wir jedes Mal versprochen. Jetzt muss ich aber zur Kenntnis nehmen, dass wir bei Koalitionseintritt 2005 noch bei fast 35 Prozent lagen und zwölf Jahre später mit 20,5 Prozent rausgekommen sind. Das ist ein Stück weit Urteil darüber, wie gut unsere Regierungsbeteiligung in der Großen Koalition angekommen ist. Und so leid es mir tut, da geht die innere Wahrnehmung der SPD, was Regierungserfolge betrifft, weit mit dem auseinander, was die Menschen draußen denken. Viele sagen uns, der Mindestlohn ist super, aber wir haben euch nicht nur dafür gewählt, sondern auch, dass ihr mit dieser Gesellschaft in eine bestimmte Richtung geht.

Nun, wenn die SPD in einer GroKo nichts bewegen kann, was wäre die Alternative? Die Tolerierung einer unionsgeführten Minderheitsregierung?

Da muss man sich über die Bedingungen unterhalten, das ist nicht die Aufgabe der SPD, so etwas herbeizuführen. Ich mache mir auch keine großen politischen Hoffnungen, was die Ergebnisse einer Minderheitsregierung betreffen. Der Deutsche Bundestag ist nach den letzten Wahlen mehrheitlich Mitte-Rechts zusammengesetzt und er wird mehrheitlich Mitte-Rechts-Positionen beschließen und exekutieren lassen, so ist das halt in einer Demokratie. Die SPD muss aber nicht weiter als Steigbügelhalter herhalten, nur um der Kanzlerin weitere vier Jahre zu ermöglichen. Dafür kann sie dann auch selber Mehrheiten suchen, das ist ihre Verantwortung, wenn sie weiterregieren will.

Genau deshalb will Merkel ja eine Minderheitsregierung vermeiden, weil diese bei den kleinsten Unstimmigkeiten platzen könnte. Dann gäbe es wiederum Neuwahlen, die SPD würde voraussichtlich ein noch schlechteres Ergebnis als am 24. September einfahren...

Ich mache nicht Wahlkampf für die SPD in der Annahme, dass alles schlimm ausgeht. ich bin davon überzeugt, dass wir gute Argumente haben, die viele Menschen überzeugen können. Ich glaube aber, dass die Durchschlagskraft dieser Argumente immer schwächer wird, je häufiger Menschen sehen, dass wir diese Versprechen in der Regierungsverantwortung nicht umsetzen können. Das ist in der GroKo häufig der Fall gewesen. Und wir werden oft mit solchen Aussagen konfrontiert: Ihr stellt ja schöne Forderungen, aber ihr regiert doch die ganze Zeit, warum setzt ihr die nie um? Nun, die Antwort kann nicht immer sein, dass Politik Kompromisse machen muss. Die Menschen weisen einen schon auf das Problem hin: unser ureigner sozialdemokratischer Standpunkt wird in einer gemeinsamen Regierung nicht sichtbar.

Was erwarten Sie sich vom bevorstehenden Parteitag am Donnerstag?

Dass wir ausführliche und grundlegende Debatten führen, fernab von der Frage Große Koalition oder nicht. Zum Beispiel darüber, wie das Ergebnis des Parteivorsitzenden zu bewerten ist. Wie konnte es sein, dass man bei 20,5 Prozent landete - und wie wollen wir aus dem Loch wieder herauskommen. Auf der Basis hoffen wir, dass die 600 Delegierten, von denen wir einen ordentlichen Teil stellen (90 Delegierte, Anm.), kluge Entscheidungen treffen.

Also, Entscheidungen, ob es nun zu Koalitionsgesprächen kommt oder nicht?

Ich hoffe, dass wir diesen Entscheidungen nicht aus dem Weg gehen, so nach dem Motto: Wir führen mal Gespräche und alles weitere entscheidet dann der Parteivorstand, so ein Beschluss wäre eine Vertagung des Knackpunkts und ein übles Foul.

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