Vor GroKo: SPD wirft CDU Vertrauensbruch vor

Andrea Nahles ist über den Alleingang des CSU-Ministers empört.
Noch ehe SPD und Union über ein Bündnis verhandeln, zanken sie: Der CSU-Agrarminister stimmte in Brüssel für die Verlängerung des Unkrautgiftes Glyphosat, gegen den Willen der Sozialdemokraten.

Sie sprechen von Vertrauensbruch, noch ehe die Vertreter von Union und SPD am Verhandlungstisch sitzen. Was die Stimmung zwischen den Parteien so vergiftete: Glyphosat, ein Unkrautvernichter und Pflanzenschutzmittel, dessen Zulassung umstritten ist, weil es im Verdacht steht, Krebs zu verursachen. Keine Bedenken hatte da CSU-Agrarminister Christian Schmidt, als er gestern für eine Verlängerung des Mittels stimmte - trotz Einspruchs von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Bei den Sozialdemokraten gingen die Wogen entsprechend hoch. Fraktionsführerin Andrea Nahles stelle sich die Frage, ob Kanzlerin Angela Merkel "ihre eigenen Leute noch im Griff hat". Nahles sprach von einem "schweren Vertrauensbruch". Unterstützung bekam sie vom stellvertretenden SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. Schmidts Alleingang sei ein Schlag ins Kontor und widerspreche auch der Geschäftsordnung der Bundesregierung. Bei einer ersten Abstimmung am 9. November hatte sich die deutsche Regierung enthalten, weil das Umweltministerium als eines der beiden federführenden Ressorts gegen die Verlängerung war. Da die SPD also klar Nein zu einer weiteren Zulassung gesagt habe, hätte Schmidt sich in dem EU-Gremium enthalten müssen. Das Votum des EU-Agrarminister diene auch nicht den Gesprächen über eine mögliche neue Zusammenarbeit mit der Union, sagte Stegner in den ARD-"Tagesthemen".

Im Alleingang entschieden

Sein Entscheidung habe er übrigens alleine getroffen, erklärte Schmidt im ARD-"Morgenmagazin" und im Hinblick darauf, dass die EU-Kommission Glyphosat ohnehin zugelassen hätte. Er aber habe mit seiner Entscheidung zudem "wichtige Verbesserungen zum Schutze der Pflanzen- und Tierwelt durchgesetzt", sagte er. Dies sei mehr "als von allen beteiligten Ressorts jemals verlangt worden ist". Schmidt wischte auch jegliche Spekulationen weg, er habe vor seinem Ja die Kanzlerin informiert. Von dieser verlangt Umweltministerin Hendricks nun ein deutliches Zeichen: "Ich glaube, die Kanzlerin ist am Zuge. Sie muss etwas unternehmen, um diesen Vertrauensverlust zu heilen. Man kann so nicht regieren. Das geht einfach nicht."

Glyphosat ist ein sogenanntes "Total-Herbizid", es wirkt auf alle grünen Pflanzen. Der Wirkstoff blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung lebenswichtiger Aminosäuren brauchen, das aber auch in Pilzen und Mikroorganismen vorkommt. Wo Glyphosat ausgebracht wird, wächst kein Gras mehr - auch kein Kraut, Strauch oder Moos. Ackerflächen können so vor oder kurz nach der Aussaat und nochmals nach der Ernte unkrautfrei gemacht werden.

Glyphosat wird auf zirka 400 Millionen Hektar überwiegend landwirtschaftlich genutzter Flächen eingesetzt, berichtete das Marktforschungsunternehmen Kleffmann Group. Zum Vergleich: Agrarflächen umfassen in Deutschland 16,7 Millionen Hektar. Der vom US-Konzern Monsanto entwickelte Wirkstoff wurde 1974 erstmals zugelassen. Im Jahr 2000 lief das Patent aus, seither werden Glyphosat-haltige Produkte auch von anderen Herstellern angeboten. Verkauft werden jährlich rund 850 000 Tonnen solcher Mittel, in Deutschland sind es etwa 5000 Tonnen.

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