Sommer, Sonne, Delta - wackelt der Urlaub in Portugal?
Die überstürzte Abreise von deutschen und britischen Gästen aus Portugal in der vergangenen Woche hat viele auch in Österreich verunsichert. Das Urlaubsland am Atlantik steht mittlerweile wieder auf der britischen Amber-Liste (mit Quarantänepflicht bei Rückreise) und wird von Deutschland wegen der Verbreitung der Delta-Mutation als Virusvariantengebiet eingestuft - auch hier mit strengen Einreisebestimmungen. (Rückkehrer nach Deutschland müssen auf jeden Fall für 14 Tage in Quarantäne, auch wenn sie geimpft oder genesen sind.)
Für Österreich bleibt Portugal vorerst auf der "grünen Liste". Die Einreise bleibt mit negativem Test, digitalem EU-Impfzertifikat oder Bestätigung einer überstandenen Covid-Infektion für Menschen aus Österreich möglich (hier die aktuellen Bestimmungen). Aber wie lange noch? Muss man um den Urlaub in Portugal zittern? Der KURIER fragte in Lissabon nach.
Dort zeigt sich ein etwas anderes Bild als es vor allem in deutschen Medien gezeichnet wird. Von Panik oder Überlastung des Gesundheitssystems ist momentan nicht die Rede. Die Regierung bleibe im Corona-Management "pragmatisch", wie Esther Maca, Österreichs stellvertretende Wirtschaftsdelegierte in Portugal am Telefon erzählt. "Angst erlebe ich hier momentan nicht", sagt sie.
Steigende Zahlen
Das Gesundheitsministerium in Lissabon meldete am Freitag 2.436 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden.
Das ist der höchste erfasste Wert seit dem 13. Februar. Damals waren 2.856 neue Fälle gemeldet worden. Allerdings hatte es an dem Tag vor gut viereinhalb Monaten 149 Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 gegeben. Am Donnerstag wurden fünf Todesfälle binnen 24 Stunden gemeldet.
Der Anstieg an Neuinfektionen gibt der Regierung noch Rätsel auf. Als mögliche Gründe werden der Beginn der Tourismussaison, die Wiederaufnahme von Festen und Partys und Sportveranstaltungen angegeben. Verifiziert konnten die Vermutungen allerdings noch nicht werden.
Delta dominitert
Ein Grund für die schnellere Verbreitung ist wohl die – ansteckendere – Delta-Variante des Virus. Offiziellen Angaben der portugiesischen Behörden zufolge ist die Delta-Variante bereits seit Freitag bei den Neuinfektionen dominierend, insbesondere im Großraum Lissabon. Mittlerweile ist sie in Portugal für mehr als die Hälfte der Neuinfektionen verantwortlich. Die britische Variante macht rund 40 Prozent aus.
Während in Portugal 54 Prozent der Bevölkerung bereits zumindest eine Impfung haben und rund 30 Prozent vollimmunisiert sind, stecken sich derzeit vor allem 20- bis 40-Jährige mit dem Coronavirus an. Auch in Schulen kommt es immer wieder zu Clustern, manche Schüler wurden deshalb früher in die Sommerferien geschickt.
Die Impfrate bei Risikogruppen und Älteren ist deutlich höher, auch deshalb kommt es zu deutlich weniger Todesfällen und Hospitalisierungen. Ab nächster Woche werden Impftermine an Erwachsene ab 18 Jahren vergeben.
"Die Situation hat sich weiter verschlechtert", gibt Kabinettsministerin Mariana Vieira da Silva zu. Man müsse große Treffen und vor allem "Partys mit vielen Teilnehmern meiden". Zur Eindämmung der steigenden Infektionszahlen hat die Regierung die Wiedereinführung einer nächtlichen Ausgangssperre (23 bis 5 Uhr) für 45 Bezirke mit besonders schlechter Corona-Situation beschlossen, darunter die Hauptstadt Lissabon. In diesen Gebieten wird neben anderen Einschränkungen auch Homeoffice wieder zur Pflicht.
"Nicht besorgniserregend"
Portugals Corona-Zahlen sind antizyklisch im Vergleich zu etwa Österreich. Während im Herbst 2020 kein vergleichbarer Anstieg verzeichnet wurde, hatte Portugal im Winter zeitweilig im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl (10,3 Millionen) mehr Neuinfektionen und Todesfälle als jedes andere Land der Erde. Im Mai hingegen wies das Land dann einen der niedrigsten Infektionswerte Europas auf.
Zuletzt kletterte die 14-Tage-Inzidenz nach Angaben der EU-Behörde ECDC innerhalb von nur einer Woche von 124 auf fast 169 pro 100.000 Einwohner. Rund 38 Menschen pro Million Einwohner sind derzeit im Krankenhaus, in Österreich liegt der Wert momentan bei 18.
Obwohl die epidemiologischen Kennzahlen "in Portugal für sich genommen aktuell nicht besorgniserregend" seien, könne ein steigender Trend beobachtet werden, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Wien auf APA-Anfrage am Dienstagabend mit. "Die Entwicklung in Portugal bleibt daher unter genauer Beobachtung."
Änderungen könnten folgen
Einen "Sommer mit Restrisiko" nannte Außenminister Alexander Schallenberg die Lage auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Vorerst bleibe Österreich dabei, Portugal auf der "grünen Liste" zu nennen. "Ich kann nicht ausschließen, dass eine Wolke auftaucht und sich das Wetter plötzlich eintrübt", sagte Schallenberg angesprochen auf die jüngst von Deutschland kurzfristig für Portugal ausgesprochene Reisewarnung. Er wies darauf hin, dass die Reiseveranstalter in solchen Fällen ein Rücktrittsrecht einräumen. Zugleich empfahl der Minister Reisenden, eine Rücktrittsversicherung abzuschließen.
Wegen der Delta-Variante hatte das deutsche Robert Koch-Institut Portugal als Virusvariantengebiet eingestuft. Seit Dienstag gilt für Portugal-Rückkehrer nach Deutschland eine Quarantänepflicht. Das könnte auch Auswirkungen für Urlauber aus Österreich haben, die etwa über München oder andere deutsche Flughäfen die Heimreise antreten wollten. Seit 29. Juni für vorerst 14 Tage gilt ein Beförderungsverbot für Menschen ohne Wohnsitz in Deutschland. Über einen deutschen Flughafen nach Hause zu fliegen wird für sie während dieser Zeit nicht möglich sein.
Für die nächsten Tage wird aber auch in Deutschland eine Neubewertung erwartet, die den Urlaub in Portugal wieder leichter machen könnte. Nämlich weil Deutschland sich bei der Verbreitung der Delta-Variante immer mehr den Verhältnissen von Portugal nähert. Das Urlaubsland könnte aus diesem Grund vom Virusvariantengebiet zum Hochinzidenzgebiet heruntergestuft werden.
"Mit dem Wissen, dass sich jetzt in den letzten Tagen bestätigt hat, dass bei dieser Variante die doppelte Impfung schützt, haben wir die Möglichkeit, dann zu einer anderen Einstufung zu kommen", sagte der deutsche Gesundheitsminister Spahn. Auch hier mache dann die doppelte Impfung "einen Unterschied".
Kommentare