Sinkende Corona-Zahlen: Ist Großbritannien über den Berg?
Zu Beginn der Urlaubssaison beschert die Corona-Pandemie den Briten im größten Landesteil, England, ein Wechselbad der Gefühle. Dank sinkender Fallzahlen mischt sich Hoffnung zur Empörung über das Quarantäne-Chaos der ersten Woche nach dem letzten Öffnungsschritt in England.
Mit den am Montag berichteten 24.950 britischen Neuinfektionen sind diese – erstmals seit Mitte November – sechs Tage in Folge rückläufig. Es ist der erste anhaltende Rückgang ohne Lockdown.
"Vorsichtig optimistisch"
Für die letzte Woche wurden 252.875 Fälle registriert, ein Minus von 22 Prozent. Die Sieben-Tage-Inzidenz sank auf 462. Spitalsfälle, die meist hinterherhinken, stiegen in der neuesten Sieben-Tages-Periode aber um 27 Prozent auf 5.496; Todesfälle um 50 Prozent auf 445.
Über einen Sprecher nannte Premier Boris Johnson den Trend "ermutigend", warnte aber, das Ende aller Restriktionen in England spiegele sich noch nicht in den Daten wider. Man sei "noch nicht über den Berg".
Die Times titelte schon, dass der starke Rückgang auf eine Überwindung des Gipfels hindeute.
Aber viele sind noch vorsichtig. Professor Adam Kucharski von der London School of Hygiene and Tropical Medicine warnte vor einem möglichen "falschen Höhepunkt". Mike Tildesley, Mathematiker an der Uni Warwick, sagte, er sei "vorsichtig optimistisch", wolle aber die nächsten zwei Wochen abwarten, weil sich da erst die Öffnung in England niederschlagen werde.
Impfprogramm, EM-Ende, Hitzewelle, Ferien
Und Professor Peter Openshaw, Mediziner am Imperial College London, meinte: "Wir sind alle etwas aufgeregt, aber ich mahne noch zur Vorsicht".
Warum der positive Trend? Experten weisen auf das Impfprogramm hin, auf das Ende der Euro, die einen Infektionsanstieg bei Männern brachte, auf eine Hitzewelle und auf die Schulferien, die weniger Tests bedeuten.
Mehr als 37,1 Millionen - 70,3 Prozent der Erwachsenen in Großbritannien - haben bereits zwei Impfdosen erhalten. Der englische Gesundheitsdienst warnt aber, dass ein Drittel der 18- bis 29-Jährigen noch keine Impfung hat und immer mehr Junge auf Intensivstationen landen.
"Pingdemie"
Unterdessen ist die Regierung von Premier Boris Johnson unter Druck, sicherzustellen, dass das öffentliche Leben nicht wegen Personalmangels zum Erliegen kommt. Weil die englische Corona-App in letzter Zeit Hunderttausende via "Ping" zur Quarantäne aufforderte, sprechen viele von der „Pingdemie“ statt Pandemie.
Unter den Wochenend-Schlagzeilen: "Versorgungsprobleme", "U-Bahn-Fiasko in London", "Warteschlangen am Flughafen", "Pingdemie-Chaos bei Polizei" und "Wochen der Störung drohen".
Die Regierung beriet über die Ausweitung von Sonderregeln, die seit Montag "Angepingten" etwa in Teilen des Gesundheits- und Lebensmittelbereichs tägliche Tests statt Quarantäne erlauben, auf weitere Berufsgruppen. Dafür sollen bald 500 Testzentren im Einsatz sein. Vielerorts herrscht Verwirrung über Details der Regeln, manche Gewerkschaften sprechen sich gegen diese aus.
Kommentare