In Putins "Gnade" lag es nun, seinen syrischen Alliierten und dessen Familie zu retten. Als die islamistischen Rebellen vor Damaskus standen, drängte der russische Geheimdienst den zögernden Diktator: Fliehen! Jetzt! Sofort! Sein Regime sei nicht mehr zu retten. So flog der russische Geheimdienst, wie Bloomberg unter Bezug auf FSB-Quellen berichtet, Assad samt Familie über den russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim aus Syrien aus. Der Transponder sei ausgeschaltet worden, um eine Ortung zu verhindern.
Putins Statthalter
Vor zehn Jahren hatte sich Assad noch über alle lustig gemacht, die unter Putins Fittiche flohen. "Ich bin nicht Viktor Janukowitsch, ich werde nirgendwohin gehen", sagte der Diktator 2014 zu Putin. Janukowitsch, einst ukrainischer Präsident, war da gerade zwei Monate in Moskau, verschanzte sich in einer 52-Millionen-Dollar Villa in einem Nobelort. Wochenlang hatten die Ukrainer beim sogenannten Euromaidan in Kiew gegen seine Vetternwirtschaft und seinen Pro-Russland-Kurs protestiert, 100 Menschen waren gestorben, als seine Scharfschützen auf sie feuerten. Janukowitsch sah dem von seinem Luxusanwesen mit Privatzoo und Restaurantschiff aus zu, bis er nicht mehr zu retten war: Kurz nachdem er Putin gebeten hatte, einzumarschieren, packte er seine Möbel und ließ sich nach Moskau fliegen.
Als Putin Janukowitschs Invasionswunsch dann 2022 nachkam, gab es kurz Spekulationen über dessen Rückkehr. Er sei nach Belarus gebracht worden, um nach einem schnellen Fall Kiews als Putins Statthalter zu agieren, hieß es. Ein Plan, der bekanntlich nicht aufging.
Der berühmte Knicks
Als "politischer Flüchtling" sieht sich auch die berühmteste Österreicherin in Russland. Karin Kneissl, bis 2019 unter Türkis-Blau Außenministerin, ging nach der Implosion der Regierung zunächst nach Frankreich und den Libanon, dann landete auch sie in Russland: Seit 2023 leitet sie den staatsnahen Thinktank Gorki in St. Petersburg.
Verwunderlich war der Umzug angesichts ihrer Vorgeschichte nicht. 2018 war Putin höchstpersönlich bei ihrer Hochzeit in der Südsteiermark dabei, mit zehnköpfigem Donkosakenchor, Butterfass und wertvollen Weißgold-Ohrringen mit Saphiren. Zwei Jahre später war Kneissl dann schon beim Staatssender RT, ein Jahr später wurde sie auf Putins Geheiß Aufsichtsrätin des staatsnahen Ölkonzerns Rosneft. Zuletzt schickte er sie als "Analystin" in den UN-Sicherheitsrat, und auch den Umzug selbst versüßte er ihr: Ihre Ponys wurden in einer Maschine des Verteidigungsministeriums nach Russland eingeflogen.
Weniger prestigeträchtig war die Flucht von Jan Marsalek. Als der Milliardenbetrüger und einstige Wirecard-Spitzenmanager im Juni 2020 am Flughafen Bad Vöslau ein Privatflugzeug Richtung Minsk bestieg (und bar dafür zahlte), wusste er: Eine Rückkehr nach Österreich würde es für ihn nicht geben. Als mutmaßlichen Spion für den russischen Militärgeheimdienst GRU würden auf ihn hierzulande viele Jahre Haft warten.
Über seinen aktuellen Aufenthaltsort ist nichts bekannt, ebenso wenig weiß man, welchen seiner vielen Tarnnamen oder Pässe der Österreicher benutzt. Sicher aber ist, wie ein Prozess in London zutage brachte, dass Marsalek mehrere Bulgaren angeheuert hatte, um sie für Russland spionieren zu lassen. Unzählige Male flog der damalige Wirecard-Boss seit 2015 nach Russland. Unterstützung soll er auch von Egisto Ott erhalten haben, ehemals Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Wer für Russland spioniert, der darf den Dank des ehemaligen KGB-Spions Putin erwarten – und sicheren Hafen in Russland anpeilen.
Es reicht aber auch aus, dem Geheimdienst des Feindes Washington massiv zu schaden. Lebender Beweis dafür ist der ehemalige US-Agent Edward Snowden. Nachdem der IT-Experte 2013 enthüllte, wie der Geheimdienst NSA und dessen Partner massenhaft Bürger überwachten, entbrannte in den USA eine Riesendebatte darüber, ob er ein Held oder Verräter ist. Der Kreml zieht den Fall Snowden immer wieder als Beispiel heran, um den USA Doppelmoral vorzuwerfen – dass Snowden aufgrund der von ihm weitergegebenen Dokumente in seiner Heimat eine jahrzehntelange Haftstrafe droht, sei ein Widerspruch zur von den USA gepredigten Freiheit und Demokratie. In dieser Hinsicht ist Snowden für Putin also nützlich – weshalb er ihn vor mehr als zehn Jahren im russischen Exil willkommen hieß und ihm 2022 die Staatsbürgerschaft gewährte.
In Putins Diensten?
Der Whistleblower wollte eigentlich gar nicht nach Moskau, sondern nach Ecuador. Als die USA seinen Reisepass für ungültig erklärten, strandete er am Flughafen Moskau-Scheremetjewo. Kein anderes Land schien es sich mit den USA verscherzen zu wollen, Putin nahm ihn auf. Snowdens heutige Frau Lindsay Mills kam 2014 nach, 2020 wurden sie Eltern eines Sohnes. Immer wieder wird vermutet, dass Snowden im Gegenzug für den Schutz dem Kreml hilft. Handfeste Beweise gibt es dafür keine.
Egal, ob das stimmt: Ausliefern wird Putin Snowden und alle anderen, die gesucht werden, wohl nur für eine gute Gegenleistung. Historisch ist das auch höchst selten passiert. Erich Honecker war 1991 nach der deutschen Wiedervereinigung auch nach Russland geflohen, doch im Exil holte den DDR-Diktator die Geschichte ein: Die Sowjetunion zerbröselte – und Jelzins neue Regierung schob ihn nach Deutschland ab.
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