Assange, Manning und Snowden: Was wurde aus den Whistleblowern?
Von Raphael Bossniak
Bis zu 175 Jahre Haft. Dieses Strafmaß droht Whistleblower Julien Assange in den Vereinigten Staaten. Ende Februar könnte ein britisches Gericht entscheiden, den Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks an die USA auszuliefern. „Es ist die letzte Chance für britische Gerichte, die Auslieferung von Julian Assange zu verhindern“, schreibt die Frau des Enthüllers Stella Assange auf X (vormals Twitter).
Seit vier Jahren sitzt Assange im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. „Er muss in seiner Zelle essen. Es ist die Norm in Belmarsh, dass man in seiner Zelle isoliert ist“, sagte Assanges Frau vergangenes Jahr der deutschen Tagesschau.
Für die USA ist Julien Assange ein Verräter: Wikileaks dokumentierte US-Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan. Um den australischen Journalisten zu verurteilen, könnte ein über 100 Jahre altes Gesetz zum Einsatz kommen: Der Espionage Act. Das Gesetz stammt noch aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, wo die USA den Espionage Act nutzte, um sozialistische Kriegsgegner, wie den Österreich-Amerikaner Viktor L. Berger, wegzusperren.
Julian Assange: Jahrelang im Botschafts-Exil
2012 flüchtete Assange, getarnt als Motorradkurier, in die ecuadorianische Botschaft in London. In Schweden war er wegen eines Sexualdeliktes gesucht worden. Assange, der den Vorwurf immer abstritt, fürchtete, an die USA ausgeliefert zu werden. Er bekam in der Botschaft Asyl, musste aber in einem umfunktionierten Büro auf einer Matratze auf dem Boden schlafen.
Die Beziehung zu seinem Gastgeber war alles andere als rosig: Die Botschaft verwehrte ihm vereinzelt, das Internet zu nutzen, weil Assange immer wieder mit Twitter-Attacken den Zorn anderer Staaten auf Ecuador zog. So brachte ein Tweet zur Unterstützung des katalanischen Unabhängigkeitspolitikers Carles Puigdemont Spanien etwa gegen Ecuador auf.
Als der US-freundliche Lenín Moreno in Ecuador an die Macht kam, verlor Assange sein Asyl. Britische Handschellen schnappten 2019 zu, seitdem sitzt der Enthüller in Haft. Bei einer Auslieferung an die USA könnte ihn ein Leben hinter Gittern erwarten.
Chelsea Manning: Von Obama begnadigt, heute Promi
Zimperlicher kam Chelsea Manning davon: 35 Jahre hätte die Komplizin von Julien Assange ins Gefängnis wandern sollen. Die IT-Expertin, die einst für das US-Militär gearbeitet hatte, hatte Wikileaks Hunderttausende Geheimdokumente weitergeleitet. Darunter auch Videos, die die Tötung von irakischen Zivilisten durch US-Streitkräfte zeigen. Doch US-Präsident Barack Obama erließ der Transfrau den Großteil ihrer Strafe. Von ihren 35 Jahren musste sie nur sieben im Gefängnis verbringen.
Nach ihrer Freilassung entschied sich Manning für einen seltsamen Stunt: Sie versuchte für Obamas Demokraten als Kandidatin für den US-Senat aufgestellt zu werden. Doch im Vorwahlkampf konnte sie sich nicht gegen den Senator Ben Cardin aus Maryland durchsetzen.
2019 holte sie ihre Vergangenheit wieder ein: Im Prozess gegen Julian Assange verlangten US-Richter, dass sie aussagen sollte. Doch sie weigerte sich und musste mehrere Monate im Gefängnis verbringen – zeitweise auch in Isolationshaft. In Freiheit verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit bezahlten Vorträgen und war längere Zeit mit der Ex-Frau von Milliardär Elon Musk, Musikerin Grimes, lliert. Der Prozess gegen sie hatte die 36-Jährige zur Prominenten gemacht.
Edward Snowden: Ein neues Leben in Russland
Gänzlich der US-Justiz konnte nur Edward Snowden entkommen. Seinen 40. Geburtstag feierte der US-Amerikaner in Freiheit. Dafür jedoch nicht in seiner Heimat, sondern in Russland.
Ursprünglich wollte der Whistleblower vor den US-Behörden nach Ecuador fliehen. Der Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA hatte enthüllt, wie dieser großflächig seine Bürger im Internet überwacht. Das Asyl in Ecuador platzte: Die Vereinigten Staaten drohten mit der Streichung von Handelserleichterungen. Es folgte eine Odyssee, wobei Snowden in über 20 Ländern um Asyl ansuchte.
Das Flugzeug von Boliviens Linkspräsidenten Evo Morales musste sogar in Wien zwischenlanden, weil die Behörden in Frankreich und Portugal Snowden an Bord vermuteten und ihren Luftraum gesperrt hatten. Nur Russlands Präsident Wladimir Putin war schließlich bereit, ihn aufzunehmen. Für Russland ein Propagandasieg.
Seitdem lebt Snowden, der mittlerweile die russische Staatsbürgerschaft angenommen hat, zusammen mit seiner Frau und Tochter an einem geheimen Ort in Russland. Snowden, der auch im Vorstand der US-Stiftung Freedom of the Press Foundation sitzt, setzt sich für mehr Schutz für Journalisten und Enthüller ein.
Doch zu den Attacken Putins auf russische Journalisten schweigt er. Immerhin möchte der Exil-Amerikaner nicht die einzige Hand beißen, die ihn schützt.
Kommentare