Jacinda Ardern: Die Frau, die ihre eigene Politik lebte
Ein Terroranschlag, ein Vulkanausbruch, eine Pandemie – in ihren sechs Jahren als neuseeländische Premierministerin musste Jacinda Ardern eine ganze Reihe tödlicher Krisen bewältigen. Dass die Sozialdemokratin am Mittwoch ihren Rücktritt ankündigte, weil sie für weitere vier Jahre im Amt „nicht mehr genug im Tank“ habe, dürften daher selbst ihre größten Anhänger verstehen.
Doch Ardern bleibt nicht nur wegen der vielen Probleme während ihrer Amtszeit in Erinnerung, sondern auch wegen der Art und Weise, wie sie mit diesen umging.
Als ein australischer Terrorist 2019 in Christchurch 51 Menschen erschoss, tröstete sie nicht nur Angehörige und verurteilte Gewalt in ihrem Land. Sie nannte den Täter auch nie beim Namen, um seine Medienpräsenz und den Anreiz für ähnliche Attentate möglichst gering zu halten.
Zudem führte sie - anders als die USA, wo in trauriger Regelmäßigkeit Amokläufe stattfinden - in nur sechs Tagen strengere Waffengesetze ein.
Gehalt gekürzt
Bei Ausbruch der Corona-Pandemie 2020 rief sie wie die meisten Regierungschefs zu Zusammenhalt auf. Um den zu demonstrieren, ließ sie ihr eigenes Gehalt und das einiger Minister kürzen.
Und im Bezug auf die indigene Bevölkerung, die in Neuseeland über Jahrzehnte hinweg diskriminiert wurde, setzte sie ebenfalls Zeichen mit starker Symbolkraft. So trug sie bei einem Treffen der Commonwealth-Regierungschefs einen traditionellen Umhang der Maori-Volksgruppe. Auch der Name ihrer Tochter Neve, mit der sie in Zukunft mehr Zeit verbringen will, stammt aus der Kultur der Maori.
Jüngste Frau an Spitze
Natürlich lief für Ardern nicht immer alles rund. Besonders zu Beginn ihrer Amtszeit 2017 erhielt sie viel Gegenwind. Als mit 37 Jahren jüngste Frau an einer Regierungsspitze und frische Parteichefin hatte sie nicht wenige Skeptiker. Regierungskritiker meinten etwa, sie sei nicht mehr als eine „hübsche Kommunistin“.
Dabei hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits reichlich politische Erfahrung gesammelt, unter anderem im Büro des früheren britischen Premiers Tony Blair und bei ihrer Vorgängerin Helen Clark. Auch nach einem Mikrofon-Fauxpas im Dezember 2022 schwappte ihr Kritik entgegen – im Glauben, nicht gehört zu werden, hatte sie einen Oppositionspolitiker beleidigt („arrogant prick“ – arrogantes Arschloch). Sie entschuldigte sich und versteigerte das Sitzungsprotokoll für einen guten Zweck.
Arderns Rücktritt ist ein weiterer Moment von vielen, in dem sie ihre eigene Politik lebte. Schließlich hatte sie in Interviews stets zu Selbstfürsorge aufgerufen und ein eigenes Budget für mentale Gesundheit eingeführt.
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