USA: Kein Tag ohne Amoklauf
Sechs US-Amerikaner starben am Montag, als sie in Chicago bei einer Nationalfeiertag-Parade feierten. Erschossen von einem jungen Mann mit einem leistungsstarken Gewehr vom Dach eines Geschäftsgebäudes, der wahllos auf die feiernde Menschenmenge gezielt haben soll. Das Motiv ist noch nicht bekannt, die Ermittlungen laufen noch.
313 solche Schießereien gab es heuer bereits, heute ist der 186. Tag des Jahres. Jeden Tag finden also 1,7 Amokläufe statt. Sie sind in den USA zum Alltag geworden.
Im Vorjahr hat das Gun Violence Archive 692 sogenannte "Mass Shootings" gezählt. Unter "Mass Shootings" versteht die unabhängige Datenplattform jene Amokläufe, bei denen vier oder mehr Menschen angeschossen und/oder durch eine Waffe bei demselben Ereignis und zur selben Zeit getötet worden sind – den Schützen ausgenommen.
Der Blick zurück verdeutlicht, dass die Zahl der Vorfälle in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist: 2014 gab es 272 Massenschießereien, die Zahl hat sich in den letzten acht Jahren also ver-2,5-facht.
Bei Amokläufen wurden heuer bereits 1.357 Menschen angeschossen und 278 getötet. In derselben Periode 2021 wurden 1.293 Menschen angeschossen und 280 getötet, 2020 waren es 802 Angeschossene und 152 Tote.
Das gilt auch für die Zahl der Opfer von Waffengewalt insgesamt (Suizide ausgenommen): Insgesamt starben 2014 in den USA 12.352 Menschen durch Waffengewalt. 583 Kinder unter elf Jahren wurden verletzt oder starben. Im Vorjahr 2021 waren 20.944 Menschen zu beklagen, das sind 57 Tote pro Tag. Die Zahl der verletzten oder getöteten Kinder betrug 1.063.
Heuer sind es bereits insgesamt 10.143 Menschen, die durch Waffen getötet wurden.
Zwei Drittel aller Amokläufe in den USA werden übrigens aus rassistischen Motiven ausgeführt, die meisten Täter haben Nähe zum White Supremacy-Lager. Bei dem Täter in Chicago ist das Motiv noch unbekannt.
Erst Ende Mai richtete ein 18 Jahre alter Schütze an einer Volksschule in Texas ein Massaker an: Er tötete in der Kleinstadt Uvalde 19 Kinder und zwei Lehrerinnen, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Gut eine Woche zuvor hatte ein 18-Jähriger in Buffalo im Bundesstaat New York zehn Menschen erschossen, die Ermittler gehen von einem rassistischen Motiv aus.
Neues Gesetz, aber kein Umdenken in Sicht
US-Präsident Joe Biden zeigte sich "schockiert über die sinnlose Waffengewalt, die an diesem Unabhängigkeitstag wieder einmal Trauer über eine amerikanische Gemeinde gebracht hat". In seiner Mitteilung hieß es: "Ich werde den Kampf gegen die Epidemie der Waffengewalt nicht aufgeben." Biden und seine Demokraten fordern seit langem schärfere Waffengesetze. Weitreichende Reformen scheitern aber immer wieder am Widerstand der Republikaner im Kongress und am Einfluss der mächtigen Waffenlobby-Organisation NRA.
Im vergangenen Monat beschloss der Kongress unter dem Eindruck der Amokläufe von Texas und anderer Bluttaten parteiübergreifend ein Gesetz gegen Schusswaffengewalt, das aber weit hinter Bidens Reformvorschlägen zurückblieb.
Das von Biden Ende vergangenen Monats unterzeichnete Gesetz sieht eine intensivere Überprüfung von Waffenkäufern vor, die jünger als 21 Jahre sind. Zudem geht es darum, Gesetze aus Bundesstaaten auszuweiten, um potenziellen Gefährdern Waffen abnehmen zu können. Illegaler Waffenhandel soll auf Bundesebene bestraft werden können. Und man will Milliarden in psychische Gesundheitsvorsorge und Anti-Gewalt-Programme fließen. Auch für die Sicherheit von Schulen sind weitere Mittel vorgesehen. Fehlen tut allerdings das von Biden und seinen Demokraten geforderte Verbot von Sturmgewehren in dem Gesetz.
Experten werteten die Verschärfung des Waffenrechts zwar als die wichtigste seit Mitte der 1990er. Das Gesetz ist inhaltlich allerdings nur ein überparteilicher Minimalkompromiss, den Kritiker als völlig unzureichend rügen.
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