Nächste "Bombe" des Supreme Courts: "Das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen“

Bevor Stephen Breyer nach 28 Jahren auf der wichtigsten Richterbank der USA in den Ruhestand ging, hinterließ der 83-Jährige eine für das links-liberale Amerika niederschmetternde Erkenntnis. Seine stramm konservativen Kollegen am Supreme Court in Washington, so Breyer, hätten das fast 50 Jahre alte Grundsatzurteil zum landesweiten Recht auf Abtreibung immer schon verachtet. Jetzt, wo sie eine stabil 6:3-Mehrheit besitzen, hätten sie dieses Recht einfach gekippt.
Dass der unter Ex-Präsident Donald Trump drei Mal mit auf Lebenszeit ernannten erzkonservativen „justices“ neu bestückte Oberste Gerichtshof keine halben Sachen macht, hat in den letzten Juni-Wochen Schockwellen übers Lands geschickt. So wurde die verfassungsrechtlich gebotene Trennung von Staat und Kirche weiter perforiert, das Tragen von tödlichen Schusswaffen in der Öffentlichkeit massiv erleichtert und der ehrgeizigen Politik Bidens gegen die Erderwärmung der Wind aus den Segeln genommen: Die Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ (EPA) darf nicht länger bei Kohlekraftwerken Grenzwerte für den CO₂-Ausstoß vorschreiben.

Protest gegen die Abschaffung des Abtreibungsrechtes in den USA
Fast alle Entscheidungen gingen 6:3 aus. Drei liberale Richter bzw. Richterinnen – Stephen Breyer (ab sofort als Ersatz: Ketanji Brown Jackson), Elena Kagan und Sonia Sotomayor – sehen sich konstant einer übermächtigen Rechts-Mehrheit gegenüber. Neben den Urgesteinen Clarence Thomas, Samuel Alito und John Roberts sind das die Trump-„Geschöpfe“ Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett.
Wie dieses Sextett in seinen Urteilen argumentiert, klingt oft deckungsgleich mit dem, was Republikaner politisch propagieren: weniger Staat, weniger Befugnisse für Washington, weniger Zeitgeist-„Firlefanz“, der in der über 200 Jahre alten Verfassung gar nicht steht. Stattdessen mehr Zuständigkeiten für die Bundesstaaten. 30 davon werden von Republikaner regiert, nur in 17 haben die Demokraten die Hosen an.
Ihnen schwant Böses. Richter Thomas hat bereits offen die gleichgeschlechtliche Ehe (seit 2015), die Straffreiheit von gleichgeschlechtlichem Sex (seit 2022) und das Recht auf Empfängnisverhütung (seit 1965) zur Disposition gestellt.
Der Druck auf die vermutlich nur noch bis November mit knappen Mehrheiten im Kongress ausgestattete Partei von Präsident Joe Biden wächst, im Eiltempo Dämme gegen den Rechtsdrall hochzuziehen: Von einer Aufstockung der Richterbank ist die Rede. Und von der Begrenzung der lebenslänglichen Amtszeit der Höchstrichter. Beide Initiativen würden Jahre brauchen. Und ihr Erfolg wäre ungewiss. Also setzen die Demokraten auf Volkes Wille und den nächsten Wahltermin.
„Ende der Demokratie“
Laut Umfragen kommt die „Revolution der schwarzen Roben“, wie es in sozialen Medien heißt, in der Breite nicht gut an. Das einst tadellose Ansehen des Gerichts hat schweren Schaden genommen. Trotzdem droht bereits die nächste „Bombe“. Ausgehend von einer Klage aus North Carolina geht es im Herbst vor Gericht darum, den Parlamenten der Bundesstaaten die alleinige Autorität zur Vorbereitung und Durchführung von Wahlen zu geben – ohne Kontroll- und Einspruchsmöglichkeit der jeweiligen Verfassungsgerichte.
Der Zuschnitt der Wahlkreise nach ideologischem Gusto, die Nuancen der Briefwahl, die Öffnungszeiten von Wahl-Lokalen und die Entsendung der Wahlmänner und -Frauen in das „electoral college“, das den Präsidenten wählt, wären dann allein abhängig von den politischen Mehrheitsverhältnissen vor Ort. „Das wäre das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen“, sagen Kritiker.
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