Karas: "Ich krieche niemandem hinein"

"Die österreichische Innenpolitik muss europäisiert werden", betont Karas im Gespräch.
KURIER-Interview: Othmar Karas über die Europawahlen und seine Rolle im Wahlkampf der ÖVP.

Gerüchte um ein Zerwürfnis mit Michael Spindelegger haben Othmar Karas, Delegationsleiter der ÖVP und Vizepräsident des EU-Parlaments, im Vorfeld der EU-Wahlen 2014 ins Blickfeld gerückt. Der KURIER traf Karas in seinem Brüsseler Büro und sprach mit ihm über seine Rolle im Wahlkampf, den Stellenwert der EU in der österreichischen Innenpolitik und den befürchteten Rechtsruck im Parlament.

KURIER: Herr Vizepräsident, gehen Sie bei der kommenden Europawahl als Spitzenkandidat für die ÖVP ins Rennen?

Othmar Karas: Das hängt nicht von mir ab, sondern vielmehr vom Bundesparteiobmann, der seine Entscheidung sicher nach der Regierungsbildung bekanntgeben wird.

Würde Sie es schmerzen, wenn Sie nicht Listenerster werden?

Ich hab die letzten Jahre sehr deutlich bewiesen: Ich bin bereit Verantwortung zu übernehmen, in der Innenpolitik wie in der Europapolitik. Aber es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten, sondern um Voraussetzungen. Ich werde dann kandidieren, wenn ich das Gefühl habe, dass ich Instrumente zur Verfügung habe, die mich näher an die Umsetzung meiner Ziele bringen. Die Europawahl beginnt mit den Regierungsverhandlungen.

Welche Bedingungen knüpfen Sie an Ihre Kandidatur?

Die österreichische Innenpolitik muss europäisiert werden: Europa muss integraler Bestandteil der Regierungsarbeit werden. Wir haben in der Zusammenarbeit zwischen Regierung und Europaparlament und in der Stärkung des europäischen Bewusstseins durch die Politik einen Reformbedarf. Den mahne ich ein. Österreich darf nicht gegen Europa ausgespielt werden. Europapolitik ist nicht Außenpolitik, sondern spielt sich in jedem einzelnen Ressort ab.

Die EU-Politik hat demnach für Sie derzeit keinen angemessenen Stellenwert in Österreich.

Richtig. In der öffentlichen Debatte hat die EU nicht den Stellenwert, der der tatsächlichen Bedeutung für Österreich entspricht. Der Binnenmarkt und der Euro sind Österreichs Wohlstandsmotoren. Nur durch die EU ist Österreich vom Grenzland zum Kernland geworden. Deshalb fordere ich auch: Kein Schulabgänger ohne Besuch der Europäischen Institutionen.

Eine Studie des Europaparlaments wird außerdem aufzeigen, dass alleine die Nichtkooperation der Landesverteidigungspolitik auf europäischer Ebene den Mitgliedsstaat mindestens 50 Milliarden Euro mehr kostet als wenn es gemeinschaftlich in Europa behandelt wird. Die Zusammenarbeit hilft Geld sparen.

"Für mich ist eine Meinung zu haben kein schiefer Haussegen."

Nicht zuletzt aufgrund Ihrer Forderungen wurde gemunkelt, dass zwischen Ihnen und der ÖVP-Parteispitze der Haussegen gewaltig schief hängt.

Da ist der Wunsch der Vater des Gedankens, weil man Konflikte braucht. Für mich ist eine Meinung zu haben kein schiefer Haussegen. Ich krieche niemandem hinein. Ich habe einen eigenen Kopf, ich bin kein Parteiangestellter und nicht weisungsgebunden. Ich bin außerdem direkt gewählt mit 112.954 Vorzugsstimmen. Trotzdem bin ich ein überzeugter Christdemokrat. Allerdings werde ich nicht einer Karriere zuliebe das verschweigen, was ich für richtig halte. In Europa kann man streiten ohne sich persönlich zu diffamieren. Wenn man in Österreich unterschiedlicher Meinung ist, wird das sofort personalisiert.

Derzeit haben die Christlich-Sozialen im Parlament eine klare Mehrheit. Glauben Sie, dass sie diese halten können?

Ja, davon bin ich überzeugt. Aber es wird zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialdemokraten kommen.

Europawahlen galten in der Vergangenheit als politisches Stiefkind. Wie wird es dieses Mal sein?

Das Problem der Europawahlen ist, dass sie oft als stellvertretende Nationalratswahlen betrachtet werden. Dabei ist das Parlament die entscheidende demokratiepolitische und die einzig direkt gewählte Institution der EU. Ohne das Parlament geht nichts. Nicht zuletzt aufgrund der Finanzkrise, der hohen Arbeitslosigkeit und Datenschutzfragen ist die EU aber in den Fokus gerückt: Die Menschen spüren, dass kein Land mehr alleine entscheiden kann. Ich hoffe deshalb auf eine stärkere Bürgerbeteiligung.

Erstmals nimmt die Europawahl auch Einfluss darauf, wer nächster Kommissionschef wird. Wen würden Sie künftig in dieser Position sehen?

Die Europäische Volkspartei hat noch keinen Spitzenkandidaten gekürt. Der wird am 6. März in Dublin gewählt werden. Namen zu nennen ist deshalb noch voreilig. Martin Schulz wird wohl für die Sozialdemokraten ins Rennen gehen. Allerdings ist dafür Voraussetzung, dass die Sozialdemokraten im Parlament Nummer eins werden. Das ist nicht hausgemacht, das entscheidet der Wähler.

Der Parlamentspräsident wird ja ebenfalls neu gewählt. Hätten Sie Ambitionen für dieses Amt?

Ich nehme an, dass alle Ämter gemeinsam diskutiert werden. Ich würde mich freuen – allerdings hängt das von meinem Wahlergebnis ab. Ich weiß also noch nicht welche Rolle ich in Zukunft spielen werde.

"Die Troika ist ein Notinstrument. Es fehlt die Transparenz, demokratische Legitimierung und Kontrolle."

Sie haben vor kurzem eine sehr verantwortungsvolle Position übertragen bekommen: die Bewertung der Troika. Hätten Sie schon ein erstes Urteil?

Die Tatsache, dass das EU-Parlament einen Initiativbericht zur Arbeit der Troika macht, zeigt, dass es wert ist, die Arbeit zu evaluieren. Die Troika ist ein Notinstrument auf dem Boden der Regierungszusammenarbeit. Es fehlt die Transparenz, demokratische Legitimierung und Kontrolle. Daher hab ich einen Fragenkatalog erarbeitet, der Strukturfragen aufwirft.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist in mehreren EU-Staaten ein großes Problem. Wird von Brüssel aus genug dagegen unternommen?

Es darf nicht genug dagegen unternommen werden. Die EU bekommt von den Mitgliedstaaten allerdings zu wenig Geld, um effizientere Anstrengungen zu unternehmen. Sie hat außerdem zu wenige Kompetenzen, um im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit genug zu machen. Wir würden gerne mehr tun. Ziel der nächsten Jahre wird eine Wirtschafts- und Sozialunion sein. Die Bildungsfrage muss zu einer fünften Freiheit gemacht werden.

Die hohe Arbeitslosigkeit führt nicht zuletzt auch zu Kritik an der EU und ihrer Schuldenpolitik. In vielen europäischen Ländern verzeichnen EU-kritische Parteien Zugewinne. Auch im EU-Parlament soll ein Rechtsruck drohen. Sehen Sie solch eine Tendenz ebenfalls?

Ich sehe ein Erstarken des rechten, aber auch des linken Rands. Dennoch glaube ich an eine Mehrheit der Mitte. In Österreich wird es allerdings ein Rennen zwischen drei Parteien. Es geht daher um eine pro-europäische Richtungsentscheidung, bzw. eine destruktive Haltung durch die FPÖ. Aber ich fürchte mich auch vor dieser Auseinandersetzung mit der FPÖ nicht.

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