Doch welche Möglichkeiten haben die russischen Streitkräfte, ihrerseits in die Offensive zu gehen oder sich durch die Abwehr eines ukrainischen Angriffs einen Vorteil zu verschaffen?
Zur Ausgangslage: Die „Winteroffensive“ der russischen Streitkräfte hat bislang nicht die Erfolge gebracht, die sich der Kreml erwartet haben dürfte. Zwar nahmen russische Verbände mit großer Unterstützung der Wagner-Gruppe Städte wie Soledar im Raum Bachmut ein und halten mittlerweile 80 Prozent der Stadt Bachmut, doch im Großen und Ganzen sind die Geländegewinne gering. Und selbst wenn sie die Stadt in den kommenden Tagen oder Wochen erobern sollten, dürften die Ukrainer eine weitere Verteidigungslinie errichtet haben.
Nichtsdestotrotz spielt die Zeit für den Kreml. Auch wenn die russischen Verluste massiv sind - wie schon viele westliche Militärs und Experten analysierten, ist ein Menschenleben nicht so viel wert wie in westlichen Maßstäben gemessen. Und Russland verfügt über ein Vielfaches an Menschen im Vergleich zur Ukraine. Nicht zuletzt durch die Ukraine-Leaks wird klar, dass die ukrainische Luftabwehr an ihre Grenzen geht und die westlichen Waffenlieferungen hinter den Erwartungen Kiews blieben. Vor allem im Bereich der Luftabwehr.
In puncto Artilleriemunition kann Russland vergleichsweise mehr produzieren als die EU und die USA zusammen. Je länger der Krieg dauert – und das scheint eine Berechnung Moskaus zu sein – desto eher sind die westlichen Waffenlieferungen erschöpft.
Der Zeitdruck liegt also auf der Regierung in Kiew. Oftmals wurde bereits aufgezeigt, dass die ukrainischen Streitkräfte mit ihrer Offensive erfolgreich sein müssen, um weitere Unterstützung durch den Westen zu erhalten.
Eine Option für die russischen Truppen ist es demnach, die ukrainische Offensive „ins Messer laufen“ zu lassen. Satellitenbilder zeigen zahlreiche russische Verteidigungsstellungen in der Tiefe. Einen Durchbruch zuzulassen, diesen dann einzukesseln und mit Luftüberlegenheit und Artillerie zu vernichten, ist kein undenkbares Szenario. Ein Gegenstoß könnte dann auf dem Fuße folgen.
Gleichzeitig erlangen die russischen Streitkräfte langsam aber sicher die Luftüberlegenheit im Kampfgebiet, wie auch ukrainische Telegramkanäle vermelden. Die russischen Luftangriffe haben in den vergangenen Wochen zugenommen. Eine Überraschungsoffensive – etwa im Süden den Fluss Dnepr entlang – wäre eine von mehreren Möglichkeiten und könnte eine etwaige ukrainische Offensive dort empfindlich stören. Dagegen spricht, dass die Aufklärung, die massiv von NATO-Staaten unterstützt wird, solche Bewegungen rasch erkennen könnte.
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