Was die Ukraine-Leaks über Putin enthüllen

Parkinson, Krebs, eine andere schwere Erkrankung: Gerüchte über den schlechten Gesundheitszustand des russischen Präsidenten gibt es seit Jahren. Jetzt sind Informationen über eine angebliche Chemotherapie Putins allerdings in Dokumenten aufgetaucht, die aus US-Geheimdienstbeständen stammen sollen: Ein Whistleblower, der sich hinter dem Nutzernamen „Original Gangster“ verbarg, hat mehrere hundert Fotos von Akten auf Discord veröffentlicht – und darin geht es nicht nur um Putins Krankheiten, sondern auch um andere Problemfelder im Kreml.
Stimmen all diese Informationen? Und wenn ja: Was heißt das für den Krieg Russlands gegen die Ukraine? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was steht genau in den Leaks? Schon vergangene Woche zirkulierten Dokumente mit hochsensiblen Informationen auf diversen Social-Media-Plattformen – etwa, mit welchen Waffen die USA und die NATO die Ukraine versorgen oder dass die ukrainische Luftverteidigung zu kollabieren droht, wenn nicht bald Munitionsnachschub kommt.
Jetzt kamen laut New York Times neue Akten ans Licht: Glaubt man ihnen, ist der Machtkampf der Silowiki – also der Geheimdienstler und Militärs um Putin – viel heftiger als angenommen. Der Inlandsgeheimdienst FSB soll etwa Verteidigungsminister Sergej Schoigu beschuldigt haben, mit falschen Opferzahlen in der Ukraine zu operieren, um das eigene Versagen zu beschönigen. Die Zahl der getöteten und verwundeten Soldaten liege bei 110.000, schätzt der FSB – offiziell spricht der Kreml von knapp 6.000 toten Soldaten.
Noch problematischer für den Kreml dürfte aber sein, dass engste Vertraute Putins ihn umgehen wollten – Sicherheitsratschef Patruschew und Generalstabschef Gerassimow hätten im März Truppen an die Südfront der Ukraine verlegen wollen, ohne den Präsidenten zu informieren. Der hätte zu dem Zeitpunkt „einen neuen Zyklus Chemotherapie beginnen“ sollen.
Woher stammen die Akten – und sind sie echt? In Summe sind bisher mehr als hundert Dossiers aufgetaucht, die meisten davon abfotografierte Dokumente. Sie sind zwar keine streng geheimen Unterlagen, relevant sind ihre Inhalte aber darum nicht weniger: Die Inhalte stammen hauptsächlich aus abgehörten Telefonaten und abgefangenen Mails aus Russland – und sind, da sind sich die Experten einig, ziemlich sicher echt. Für den Kreml ist das mehr als unangenehm, wie die Reaktionen aus Moskau auch zeigen. Dort ist die Rede von einer „absichtlichen Verwirrungstaktik“ der USA. Das ist nur verständlich: Die Dokumente über eine Chemo Putins wären die erste offizielle Bestätigung einer Erkrankung des Präsidenten.
Bringt das die US-Geheimdienste nicht auch in arge Bedrängnis? Ja, durchaus. Obwohl die US-Dienste in puncto Ukraine bisher immer bestinformiert waren und dies für Kiew einen Vorteil bot, haben sie bei den Leaks nur schleppend reagiert. Die Bilder kursieren teils seit Wochen, die Dienste bemerkten sie aber erst sehr spät. Zu spät, wie Experten sagen: Mittlerweile kursieren viele gefälschte Versionen, in denen wohl russische Hacker die Verlustzahlen verfälscht haben.
Problematisch für die USA ist aber auch, dass Russland nun weiß, wie die USA spionieren. Denn die Leaks enthalten Daten „aus nahezu jedem Teil des russischen Sicherheitsapparats“, heißt es in der New York Times. Diese Quellen – und das sind ziemlich viele – seien darum „verbrannt“, wie es im Jargon der Geheimdienste heißt. Sie zu ersetzen, wir dauern.
Haben die Leaks Auswirkungen auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine?Vermutlich ja. Bisher verschafften die Informationen aus den USA der Ukraine entscheidende Vorteile. Das steht jetzt auf der Kippe, befürchten Washington und Kiew. Unter anderem wurde nämlich publik, dass die USA das bisher unbekannte Satellitensystem LAPIS einsetzen, um die Ukraine zu unterstützen. Moskau könnte nun offensiv versuchen, dies mittels Störsenders zu behindern.
Furcht hat man auch vor dem Szenario, dass Russland die Quartiere der federführenden Einheiten in der Ukraine bombardieren könnte; ihre Stellungen wurden teils auch geleakt.
Unangenehm für die westlichen Verbündeten Kiews ist auch, dass ihre kommunikativen Beschönigungen teils offengelegt wurden. Der Whistleblower hat nämlich auch eine Liste mit 100 Mitgliedern der Spezialeinheiten, die in der Ukraine aktiv sind, veröffentlicht. Sie sollen aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Lettland und den Niederlanden stammen – all diese Länder haben die Existenz solcher Einsatzkräfte bisher nicht bestätigt oder sogar dementiert.
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