Neue EU-Kommission: Starke Frauen und Mammutaufgabe Migration für Österreich

Neue EU-Kommission: Starke Frauen und Mammutaufgabe Migration für Österreich
Die neue EU-Kommission steht. Österreichs Kommissar, Finanzminister Magnus Brunner, ging beim Rennen um die begehrten Wirtschaftsressorts leer aus.

Eine starke Rolle für Frauen, das war von Anfang an das erklärte Ziel von Ursula von der Leyen und ihre neue EU-Kommission. Die Hälfte aller Jobs in ihrem Team wollte sie mit Frauen besetzen, da aber machten ihr die EU-Staaten - auch Österreich - einen Strich durch die Rechnung. Doch die Kommissionschefin blieb trotzdem auf Kurs und hat den weiblichen Kandidatinnen die mächtigsten Positionen gegeben. 

Sechs amtsführende Vizepräsidenten gibt es in ihrer geplanten 27-köpfigen EU-Kommission, die sie am Dienstag im EU-Parlament in Straßburg vorstellte. Vier davon werden von Frauen besetzt. Die spanische Sozialdemokratin Teresa Ribero bekommt das Ressort für Wettbewerb und soll den grünen Wandel der Wirtschaft durchsetzen. Die Estin Kaja Kallas übernimmt die EU-Außenpolitik, die Roxana Minzatu aus Rumänien wird für Bildung zuständig sein und die Finnin für Henna Virkunen für Sicherheit, etwa auch von Europas digitaler Infrastruktur.

"Alle Länder wollten Wirtschaft"

Die Stärkung der europäischen Wirtschaft für den digitalen Wettbewerb, das ist das große inhaltliche Ziel für Von der Leyens zweite fünfjährige Amtszeit. Entsprechend wichtig und gut ausgestattet werden auch alle damit betrauten EU-Kommissare. "Alle EU-Länder wollten eine starke wirtschaftliche Position für sich beanspruchen", machte Von der Leyen vor der Presse deutlich. Nicht alle konnten zuletzt eine ergattern - Österreich jedenfalls kam da nicht zum Zug.

Brunners Hoffnungen auf Wirtschafts-Posten enttäuscht

Österreich hatte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) nominiert. Eine weibliche Kandidatin, wie sie ja Von der Leyen offensiv von den einzelnen Ländern eingefordert hatte, gab es also aus Wien nicht. So wurde aus dem Wirtschafts-Kommissarsjob, für den Brunner über Wochen gehandelt worden war, nichts. 

Der Vorarlberger wird Kommissar für Binnenangelegenheiten und Migration, wie Von der Leyen bekannt gab - ein wichtiges Ressort und eine Mammutaufgabe. Schließlich geht es für Brunner jetzt darum, den Asyl- und Migrationspakt, den die EU ja - nach jahrelangem Tauziehen - im Frühjahr beschlossen hat, in die Praxis umzusetzen. Und zwar in engster Zusammenarbeit mit den einzelnen EU-Staaten - und deren Vorstellungen, wie die Kontrolle von Asyl- und Migration in der Praxis zu funktionieren hat, liegen weiterhin meilenweit auseinander.

Lob für Brunner von der Kommissionschefin

Mit jedem einzelnen dieser Staaten muss Brunner jetzt einen detaillierten Plan aushandeln - und das am Ende zu einem gemeinsamen Vorgehen zusammenfügen. Dass ein Finanzminister wie Brunner dafür nicht gerade Fachkompetenz besitze, wollte Von der Leyen so nicht gelten lassen. Brunner habe als Minister in Österreich "exzellente Arbeit" geleistet und er habe einen "Hintergrund als Jurist". Beides seien gute Voraussetzungen, um bei dieser wichtigen Aufgabe erfolgreich zu sein. Schließlich gehe es ja nicht darum, "ein Experte zu sein, sondern die politische Verantwortung zu tragen".

Mächtige Wirtschaftsressorts

Doch die wichtigsten Jobs in dieser neuen Kommission werden jene, die mit Wirtschaft zu tun haben. Der Slowake Maroš Šefčovič etwa, schon in der bisherigen EU-Kommission eine Zentralfigur, wird für Handel zuständig sein - und da vor allem für "wirtschaftliche Sicherheit". Das aber heißt vor allem, Europa für globale wirtschaftliche Auseinandersetzungen, etwa mit China und den USA zu rüsten. Schon deshalb fällt auch das heikle Thema Zölle dem Slowaken zu. 

Der Pole Piotr Serafin, ein Newcomer in der EU-Kommission, übernimmt das Budget und wird auch für den Kampf gegen Betrug mit EU-Geldern zuständig sein. Die Portugiesin Maria Luís Albuquerque übernimmt die Aufgabe, eine der wirtschaftlichen Achillesfersen der EU endlich zu sanieren: Die Kapitalmarktunion, also der grenzenlose Finanz- Bank- und Investitionsraum der EU steckt immer noch auf halbem Weg fest. Ein schwerer Nachteil im globalen Wettbewerb.

Massiver Widerstand im Parlament  

Doch noch kann diese EU-Kommission nicht an die Arbeit  gehen. Denn alle jetzt nominierten EU-Kommissare müssen sich noch in den für ihre Ressorts zuständigen Ausschüssen im EU-Parlament einer Anhörung stellen. Das heißt, sie werden nicht nur auf ihre fachlichen Fähigkeiten, sondern auch auf ihren privaten und politischen Hintergrund abgeklopft. Dann müssen sie von diesen Ausschüssen mit einer Zweidrittel-Mehrheit abgesegnet werden und am Schluss braucht auch noch die gesamte EU-Kommission ein "Ja" vom Parlament. 

Das wird in einigen Fällen sehr heikel. Wackelkandidaten gibt es in jeder einmal nominierten EU-Kommission - und das EU-Parlament hat noch jedes Mal ein bis zwei dieser Kandidaten zu Fall gebracht, die dann ersetzt werden müssen. Diesmal geht es vor allem um den Italiener Raffaele Fitto. Den hat Von der Leyen als Vizepräsident nominiert und ihm die zentrale Aufgabe der Kohäsionspolitik anvertraut, also jene EU-Milliarden, die die Entwicklung in den weniger entwickelten Regionen der EU voranbringen sollen.

Doch Fitto kommt von der rechtspopulistischen Partei "Fratelli d'Italia", ist also Parteikollege von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. Für die Sozialdemokraten und die Grünen ist Fitto inakzeptabel und soll - so zumindest die ersten Reaktionen einiger EU-Parlamentarier - unbedingt zu Fall gebracht werden. Das aber würde Giorgia Meloni und damit Italien vor den Kopf stoßen. Von der Leyen aber will das unbedingt vermeiden, schließlich betont sie auch unbeirrbar, dass sich die Bedeutung der drittgrößten Wirtschaftsnation der EU auch in der EU-Führung zeigen müsse. 

Auch Ungarns Kandidat vor dem Fall

Ganz oben auf der Abschuss-Liste des EU-Parlaments steht auch Ungarns Kommissions-Kandidat Oliver Varhely. Bisher Kommissar für die EU-Erweiterung, hat sich der enge Vertraute von Regierungschef Viktor Orban schon auf diesem Posten den Ärger vieler EU-Staaten, aber auch der Kandidatenländer für die Erweiterung zugezogen. 

Diesmal hat ihm Von der Leyen ohnehin nur einen relativ bedeutungslosen Kommissars-Posten zugedacht. Er ist für Gesundheit und Tierwohl zuständig. Dass er diesen Posten aber tatsächlich einnimmt, scheint angesichts der Stimmung im EU-Parlament ziemlich unwahrscheinlich. Vielleicht hat die Kommissionschefin ihn "schon als Bauernopfer eingeplant", wie am Rande der Debatten zu hören war.

Slowenien wird belohnt

Auch Slowenien, das in letzter Minute doch noch eine Frau statt einen Mann nominierte, scheint dafür belohnt worden zu sein: mit dem Erweiterungsportfolio. Von Slowenien offiziell nominiert ist die Kandidatin, Marta Kos, aber noch immer nicht.

Insgesamt sind 40 Prozent der Kommissare Frauen. Von der Leyen erklärte, das sei zwar eine Verbesserung, fügte aber hinzu: „So viel wir auch erreicht haben, es bleibt noch so viel zu tun.“

Die Frage, wann die neue Kommission antreten könnte, wollte Von der Leyen nicht beantworten. "Ganz Europa" wolle, dass das so schnell wie möglich passiere. Bevor die Kommissare starten können. Politico vermutet einen Starttermin im Dezember.

Die Präsentation der neuen EU-Kommission war bis zuletzt nicht nicht fix: Nach dem plötzlichen Rückzug des französischen EU-Kommissars Thierry Breton und der Nachnominierung von Außenminister Stéphane Séjourné. Von der Leyen erklärte am Montagabend bei X, sie habe den Rücktritt Bretons "zur Kenntnis genommen" und dankte ihm für seine Arbeit. Vizepräsidentin Margrethe Vestager werde Bretons Aufgaben übergangsweise übernehmen. 

Kommentare