Tote ukrainische Soldaten an einem Flussufer – ein Video, das russischen Propaganda-Kanälen wie gerufen kommt: Es wird geteilt und auf russischer Seite bejubelt. Ehe einen Tag später ein vollständiges Video erscheint, in dem die vermeintlich toten Soldaten wieder aufstehen.
An der Informationsfront ein ukrainischer Sieg auf ganzer Linie. Man zeigte auf, wie rasch Falschinformationen übernommen werden können, wenn sie nicht ausreichend geprüft werden. Videos, die etwas anderes zeigen als beschrieben, gestellte Videos, Deepfakes – also Videos, die mittels Künstlicher Intelligenz verfälscht wurden – die Liste ist lang, und vor allem im Bereich der Künstlichen Intelligenz wird noch viel zu erwarten sein. So auch im Ukraine-Krieg, in dem der Kampf um die Informationshoheit eine neue Intensität gewonnen hat.
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Wie ist es möglich, ohne vor Ort zu sein, dennoch über Ereignisse im Krieg zu berichten und Fehler zu vermeiden?
Ein Beispiel von Sonntag: In einem Drohnenvideo ist zu sehen, wie russische Panzer unter Beschuss geraten.
„Ein russischer mechanisierter Angriff wurde durch ukrainische Streitkräfte im Süden Bachmuts zerstört“, wird im Twitteraccount „Cloooud“ darüber berichtet.
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Offene Quellen
Im Video ist der Beschuss zu sehen, später brennende Wracks zweier Schützenpanzer. Grundsätzlich könnte das überall und zu jeder Zeit vorgefallen sein – es ergibt Sinn, die Website „Geoconfirmed“ zu besuchen, wo Experten und Freiwillige die Landschaft im Video akribisch mit jener auf Google-Maps und anderen Satellitenbildern vergleichen, den Standort anhand von Parametern wie der Sonneneinstrahlung oder markanten Punkten im Gelände bestimmen.
„Geoconfirmed“ hat etwa im März ein russisches Propagandavideo als Fälschung entlarvt, in dem angeblich ukrainische Soldaten eine Frau und ihr Baby in einem Auto stoppen, sie als Schwein beschimpfen und das Baby mit Schüssen erschrecken. Das Video wurde unter anderem von der russischen Botschaft in London geteilt – ehe „Geoconfirmed“ und andere Spezialisten der sogenannten „Open-Source-Intelligence“, also der Informationsgewinnung aus frei verfügbaren, offenen Quellen, herausfanden, dass es 30 Kilometer von der Front entfernt gedreht wurde – auf russisch besetzter Seite.
Auf der Website von „Geoconfirmed“ ist der Ort mitsamt Quellen am 27. März gepostet worden – ebenso wie jener, wo am Sonntag die russischen Panzer unter Feuer gerieten. Später bestätigten russische Kanäle den fehlgeschlagenen Angriff.
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Kontakte vor Ort
In diesem Fall ist die Sachlage also klar. Doch nicht immer können Informationen so offensichtlich überprüft werden. Geht es um Themen wie zurückgeschlagene Angriffe oder den Verlauf der Gegenoffensive, ergibt es mehr Sinn, mit einem vertrauenswürdigen Experten – wie etwa Oberst Markus Reisner – zu sprechen.
Auch auf Recherchereisen geknüpfte Kontakte wollen gepflegt werden, wenngleich sie beispielsweise über militärische Aufträge nichts sagen können, ohne sich strafbar zu machen. Das ukrainische Verteidigungsministerium hat eine Nachrichtensperre verhängt, um russische Angriffe schwieriger zu machen. Doch gerade, wenn es darum geht, wie die Stimmung im Land ist, wie die Menschen vor Ort mit dem Krieg umgehen, sind persönliche Kontakte unerlässlich.
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