Russischer Großangriff wird nach Ostern erwartet

Russischer Großangriff wird nach Ostern erwartet
Militärexperten rechnen mit einem Abschluss des Aufmarschs und einem Beginn der Offensive nach den Feiertagen,

Seit Tagen rollen kilometerlange russische Militärkolonnen in der Ukraine Richtung Osten. Der Aufmarsch könnte nun bald abgeschlossen sein, meint der deutsche Militärexperte Carlo Masala gegenüber dem "Stern". Er erwartet nach Ostern einen russischen Großangriff. Die Verstärkung und Umgruppierung der russischen Truppen sei demnächst erfolgt, sagte der Politikprofessor der Bundeswehruniversität München. Der Beginn des Angriffs hänge von vielen Faktoren ab, bis hin zum Wetter. „Dann ist es eine politische Frage, wann diese Großoffensive beginnt, aber ich denke, länger als eine Woche wird es nicht dauern“, sagte Masala. Er rechne aber nicht damit, dass die russischen Verbände schnelle Erfolge erreichen werden.
Die russische Führung habe sicherlich das Ziel, am 9. Mai - dem Jahrestag des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland - einen Sieg vorweisen zu können.

Währenddessen setzt Russland seine Artillerieangriffe unvermindert fort. Im ostukrainischen Gebiet Charkiw sind offiziellen Angaben zufolge durch russischen Artilleriebeschuss mindestens acht Zivilisten getötet worden. Weitere 19 seien verletzt worden, teilte Gouverneur Oleh Synjehubow am Montag im Nachrichtenkanal Telegram mit.

Unter den Todesopfern war demnach ein 13-jähriges Kind und unter den Verletzten zwei Kinder zwischen vier und neun Jahren. Das Asow-Regiment spricht von einem russischen Giftgas-Angriff in Mariupol.

Russischer Großangriff wird nach Ostern erwartet

Minen abgeworfen

Die russischen Truppen sollen auch aus der Luft abgeworfene Verzögerungsminen einsetzen, die erst auf Bewegung reagieren. Die ukrainischen Behörden in Charkiw warnten die Bevölkerung vor Landminen, die auf die nordöstliche Stadt abgeworfen worden seien.

Am Montag sperrten die Sicherheitskräfte ein Gebiet im Osten von Charkiw ab, um eine Reihe kleiner, in Wohnstraßen verstreuter Sprengsätze zu beseitigen. Der Leiter der ukrainischen Minenräumungseinheit, Oberstleutnant Nikolaj Owtscharuk, sagte, es handle sich um PTM-1M-Minen aus Plastik, die mit Zeitzündern detonierten und von den sowjetischen Streitkräften in Afghanistan weithin eingesetzt wurden.

Streuminen wie die PTM-1M-Minen sind nach dem Ottawa-Abkommen über Antipersonenminen wegen der Gefahr für die Zivilbevölkerung verboten. Von unabhängiger Seite konnte nicht bestätigt werden, um welche Minen es sich in Charkiw handelte.

In den 24 Stunden zuvor waren in dem Gebiet ukrainischen Angaben zufolge elf Menschen getötet worden, darunter ein siebenjähriges Kind. Russische Truppen sollen über 60 Mal mit Artillerie, Mehrfachraketenwerfern und Mörsern angegriffen haben. Russland führt seit beinahe sieben Wochen einen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland.

Die Regierung in Kiew wirft Russland zudem vor, ukrainische Zivilisten gefangen zu halten, einige von ihnen in Russland. "Es gibt viele Priester, Journalisten, Aktivisten, Bürgermeister und allgemein Zivilisten, die im Gefängnis sitzen", sagt Vize-Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk in einer Fernsehansprache. Dies geschehe nicht einmal auf ukrainischem Boden, sondern in den russischen Regionen Kursk, Brjansk und Rostow. Die Angaben sind nicht überprüfbar. Russland hat verneint, gegen Zivilisten vorzugehen.

Service members of pro-Russian troops drive an armoured vehicle in Mariupol

Giftgas in Mariupol

Am Montag konnten nach ukrainischen Angaben 4.354 Menschen aus belagerten Städten evakuiert werden. Wereschtschuk teilte mit, 556 Menschen sei es gelungen, die eingekesselte Stadt Mariupol zu verlassen.

In Mariupol hat - kurz nach einer russischen Drohung mit dem Einsatz von Chemiewaffen - das ukrainische Asow-Regiment von einem angeblichen Angriff mit Giftgas berichtet. Eine unbekannte Substanz sei mit einer Drohne über der seit langem umkämpften Stadt abgeworfen worden, teilte Asow am Montagabend in seinem Telegram-Kanal mit. Der ehemalige Asow-Kommandeur Andryj Bilezkyj berichtete von drei Personen mit Vergiftungserscheinungen.

Der öffentliche-rechtliche ukrainische TV-Sender Suspilne berichtete aber, es gebe keine Bestätigung durch offizielle Stellen. Zwar hielten Militärquellen die Wahrscheinlichkeit eines Chemiewaffenangriffs durch die russische Seite für "sehr hoch". Der Sender bemühe sich um eine Bestätigung durch Militär oder Geheimdienst. Den Asow-Angaben zufolge litten die getroffenen Personen unter Atembeschwerden und Bewegungsstörungen.

Auch ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte, es gebe keine Bestätigung für den Einsatz von Chemiewaffen. Sollten die Berichte stimmen, wäre das sehr beunruhigend. Es passe zu Befürchtungen, dass Russland in der Ukraine chemische Mittel zur Unterdrückung großer Menschenmengen einsetzen könnte, so etwa Tränengas gemischt mit anderen Chemikalien, sagte Sprecher John Kirby.

Nach Angaben westlicher Militärexperten spitzt sich die Lage in Mariupol zu. Russische Kräfte hätten die ukrainischen Verteidiger zurückgedrängt. Die Ukrainer haben sich unter anderem in dem Stahlwerk Asowstal verschanzt. Der Militärsprecher der prorussischen Separatisten von Donezk, Eduard Bassurin, sagte, eine Einnahme der unterirdischen Befestigungen auf dem Fabrikgelände wäre zu verlustreich. Deshalb solle man auf chemisch bewaffnete Truppen setzen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij verwies in seiner nächtlichen Videoansprache auf diese Drohung. "Wir nehmen das höchst ernst." Ein möglicher Chemiewaffenangriff sollte für ausländische Staaten Anlass sein, noch härter auf die russische Aggression zu reagieren, sagte Selenskij. Er sagt aber nicht, dass bereits chemische Waffen eingesetzt wurden.

Die westlichen Staaten haben Moskau vor ernsthaften Konsequenzen gewarnt, falls es in dem vor fast sieben Wochen begonnenen Krieg Chemiewaffen oder andere Massenvernichtungswaffen einsetzen sollte. Nach den Berichten aus Mariupol schrieb die britische Außenministerin Liz Truss auf Twitter, man arbeite mit Partnern daran, Details zu verifizieren. Jeder Einsatz solcher Waffen wäre eine Eskalation, für die man den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Führung zur Verantwortung ziehen werde.

Russland hat im Syrien-Krieg nicht selbst Chemiewaffen eingesetzt, aber den nachgewiesenen Abwurf von Bomben mit Giftgas durch die syrische Regierung gedeckt und abgestritten.

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