Viel Taktik, viel Vodka: Wenn Österreicher mit Russen verhandeln
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges pflegt man in Wien gute und oft heikle Beziehungen zu Moskau und setzt auf die Neutralität, über die der Kreml eifersüchtig wacht.
Anfangs wussten die sowjetischen Offiziere nicht so recht, was sie mit dem alten Herren anfangen sollten, der da im April 1945 bei ihnen in der Kommandozentrale in Niederösterreich, wenige Kilometer hinter der Front, auftauchte. Doch das sollte sich rasch ändern – per direktem Befehl aus Moskau. Dort hatte nämlich der sowjetische Diktator Josef Stalin klar gemacht, dass er eben diesen Karl Renner als Chef einer provisorischen Regierung für Österreich haben wolle. Renner war zwar Sozialdemokrat und damit für Stalin ein „Verräter“, aber trotzdem „genau der Mann, den wir brauchen“.
So entstand in den letzten Kriegstagen eine enge briefliche Beziehung zwischen dem sowjetischen Diktator und dem ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten, der Stalin so regelrecht einkochte. In seinen Briefen, die der Historiker Stefan Karner vor ein paar Jahren in Moskau aufgestöbert hat, spricht Renner Stalin als „lieber Genosse“ an und signalisiert, dass man zwar eine demokratische Regierung und freie Wahlen plane, aber bereitwillig auf die Wünsche aus Moskau eingehen werde.
Geschickte Taktiker
Es war also Renners politisches Geschick, das ausgerechnet Österreich das Schicksal der Nachbarstaaten wie Ungarn, der Slowakei ersparte. Man wurde nicht von Russland verschluckt und verschwand nicht hinter dem Eisernen Vorhang.
Die Neutralität aber, die Renner in diesen Tagen schon andachte, sollte in den Jahren danach Gegenstand heikelster Verhandlungen werden. Es ging um den Staatsvertrag und den Abzug der alliierten Besatzungstruppen aus Österreich.
Die härtesten Bedingungen für diesen Staatsvertrag stellte klarerweise Moskau. Dort beharrte man auf der „Neutralität“ Österreichs und ließ sich diesen Begriff auch nicht durch andere wie „Bündnisfreiheit“ wegverhandeln.
Zu viel getrunken
Die entscheidenden Gespräche fanden im April 1955 in Moskau statt. Die österreichische Delegation, angeführt von Bundeskanzler Julius Raab und Außenminister Leopold Figl rang tagelang mit den Sowjets rund um Außenminister Wlatscheslaw Molotow um jede Formulierung. Dazu bemühte man sich ausgiebig, sich mit den Russen auch persönlich anzufreunden.
Dazu gehörten ausgiebige Wodka-Runden. Dem damals schon gesundheitlich angeschlagenen Figl soll das recht bald zu viel geworden sein. Er legte sich eines Abends schon früh schlafen. Dass es genau der Abend sein sollte, an dem der Durchbruch gelang, sollte Figl erst am nächsten Morgen erfahren. Und zwar mit etwas spöttischem Unterton vom SPÖ-Vizekanzler Schärf. Nicht viel sei los gewesen, meinte er auf Nachfrage Figls - den Staatsvertrag habe man halt.
Die so mühsam ausgehandelte Neutralität sollte zum Markenzeichen werden. Wien machte sich zum Schauplatz wichtiger Treffen der Supermächte im Laufe des Kalten Krieges und nützte sie auch, um Standort internationaler Organisationen wie der UNO zu werden.
Tagelang verhandelt
Moskau aber wachte auch noch eifersüchtig über diese Neutralität, als man die in Wien schon eher großzügig auslegte. Bei den Verhandlungen zum EU-Beitritt 1995 war es wieder Russland, das sich jedes Zugeständnis mühsam abringen ließ. Es habe ihn zuletzt drei Tage Verhandlungen in Moskau gekostet, sollte sich der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky später im KURIER erinnern, bis auch den Russen klar gewesen sei, „dass wir keine sinistren Absichten hegen“.
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