Nein zu AfD, Linke und vielleicht bald Wagenknecht? Wie sich die CDU selbst fesselt
Blumen, Händedruck, Schulterklopfer: So wurden die CDU-Spitzenkandidaten nach der Landtagswahl in Sachsen und Thüringen am Montagvormittag von CDU-Chef Friedrich Merz in Berlin begrüßt. Denn neben der rechtsextremen AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), die historische Ergebnisse einfuhren und die Ampel-Regierung in Berlin abstraften, war die CDU die dritte Gewinnerin der beiden Landtagswahlen: In Thüringen wurde Mario Voigt zweitstärkste Kraft und verbesserte das Ergebnis seiner Partei um 1,9 Prozentpunkte, in Sachsen verteidigte der dortige Ministerpräsident Michael Kretschmer den ersten Platz – und wahrscheinlich auch das Amt, auf das auch Voigt hofft.
Trotzdem steht jetzt niemand vor größeren Herausforderungen als die CDU. Denn die Christdemokraten suchen dringend Koalitionspartner und haben sich dabei selbst gefesselt. Dafür verantwortlich ist der sogenannte Unvereinbarkeitsbeschluss.
Nicht mit AfD und mit Linke
"Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab." So steht es in einem Beschluss vom 31. Parteitags der CDU aus dem Jahr 2018. Dem Beschluss vorausgegangen war die Ermordung des CDU-Politiker Walter Lübcke durch einen Rechtsextremisten und eine Regierungskrise in Thüringen 2020, bei der sich CDU und AfD bei der Wahl eines Ministerpräsidenten zusammengetan hatten.
Jetzt wird über den Beschluss heiß diskutiert, und wieder ist Thüringen der Grund. Denn dort braucht Mario Voigt, weil die CDU wie alle anderen Parteien eine Koalition mit der AfD ausschließt, die Linke, um eine Mehrheitsregierung bilden zu können.
Kritik kommt nicht erst jetzt: Der CDU wird seit dem Beschluss vorgeworfen, die Linke, die aus der Nachfolgerin der sozialistischen Einheitspartei der DDR enstanden ist und in Thüringen zuletzt mit Bodo Ramelow zehn Jahre lange einen Ministerpräsidenten stellte, mit einer teils vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Partei gleichzusetzen. Die CDU widerspricht dem, es ginge um "grundsätzliche Unvereinbarkeiten mit Werten und Grundsätzen", so steht es im Beschluss.
Ost-CDU gegen West-CDU
Doch auch innerhalb der CDU herrscht Uneinigkeit: Auf der einen Seite stehen die, die eine Aufhebung des Beschlusses fordern, etwa der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja: Die Linke in Ostdeutschland nennt er eine "in großen Teilen konservative Sozialdemokratie ostdeutscher Prägung". Der gebürtige Ost-Berliner kritisiert seine Partei: "Die CDU hat sich mit der unsachgemäßen Interpretation der Hufeisentheorie in eine Sackgasse begeben."
Auf der anderen Seite sind die, die auf den Beschluss pochen. Darunter CDU-Chef Merz. Stimmen wie diese finden sich nicht nur, aber vor allem in CDU-Landesverbänden der westdeutschen Bundesländer.
Auch unter Politikwissenschaftern scheiden sich die Geister: Der Befürchtung, dass eine Aufweichung des Unvereinbarkeitsbeschlusses nach links irgendwann auch eine Aufweichung nach rechts nach sich ziehen könnte, steht die Position gegenüber, man müsse mit allen demokratisch gewählten Parteien sprechen – und Extremisten in der Auseinandersetzung und nicht im Ausschluss bekämpfen.
Und das BSW?
Tatsächlich lässt sich der Unvereinbarkeitsbeschluss nicht nur aufgrund der misslichen Lage der CDU in Thüringen kritisieren. Sondern auch aufgrund der Tatsache, dass eine Koalition mit dem Bündnis von Sahra Wagenknecht (BSW) nicht ausgeschlossen wird.
Das BSW ging wiederum aus der Linkspartei hervor. Dessen Namensgeberin vertritt wesentlich radikalere Positionen in Wirtschaft, Sozialpolitik und Ukraine-Krieg als die Linke und gehörte einst der linksextremistisch eingestuften Kommunistischen Plattform an. Deswegen fordern nun einige CDU-Politiker, das BSW in den Unvereinbarkeitsbeschluss ebenso aufzunehmen.
Damit würde die CDU ihre Daumenschrauben noch fester anziehen. Und die Zeit-Journalistin Jana Hensel warnt: Das Ausschließen einer so großen Menge an Wählerstimmen würde zum Schluss abermals wieder nur Populisten nutzen – links und rechts.
Die CDU-Landesverbände in Sachsen und Thüringen betonten nach der Wahl ihre Eigenständigkeit: "Wir haben, seitdem es die sächsische Union gibt, die Dinge immer allein entschieden", hatte der sächsische Ministerpräsident Kretschmer bereits am Montag erklärt. Für die CDU in Sachsen reichen SPD und BSW für eine Mehrheit im Landtag.
Für Mario Voigt in Thüringen hingegen gibt es drei Optionen: den Unvereinbarkeitsbeschluss brechen; eine Minderheitsregierung unter Tolerierung der Linken – das ist erlaubt, und das hat die CDU in der letzten Legislaturperiode bei Bodo Ramelow ebenso gemacht. Allerdings haben alle Parteien betont, eine Wiederholung dieses Szenarios vermeiden zu wollen. Bleibt noch die Hoffnung, dass in den kommenden Wochen zumindest eine der 12 Linke-Abgeordneten zum BSW wechseln könnte. Nichts ist fix, außer ein Termin: Spätestens bis zum 1. Oktober muss der neue Landtag zusammentreten.
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