Das Gute am kleinen Thüringen mit seinen zwei Millionen Einwohnern ist: In seiner Hauptstadt Erfurt wird nicht Weltpolitik gemacht. Aber doch Geschichte geschrieben – zumindest die einer bitteren Zäsur in der Bundesrepublik:
Nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat eine offen rechtsextreme Partei in Deutschland eine Landtagswahl gewonnen. Umfragen hatten das erwarten und befürchten lassen, und doch sorgten der Sieg der AfD in Thüringen und ihr nur knapp verfehlter erster Platz in Sachsen für einen Schock.
Alle Wahlgänge haben ihre regionalen Besonderheiten – in Vorarlberg wird anders gewählt als im Burgenland, und so herrscht auch im Osten Deutschlands, bis 1989 kommunistisch, eine andere Befindlichkeit als im Rest des Landes.
Aber hüben wie drüben, in Deutschland ebenso wie in Österreich und in ganz Europa gilt immer öfter: „Perception is reality“, wie amerikanische Wahlforscher sagen – was so viel bedeutet wie: „Was ich fühle, ist für mich die Wahrheit.“ Und gefühlt wird, im Osten Deutschlands, Vernachlässigung, Bevormundung, Übervorteilung, Arroganz durch den Westen.
Dass die traditionellen Volksparteien mit diesem Gefühl nicht umgehen können, zeigt ihr kontinuierlicher Niedergang. Christdemokraten, SPD, Grüne und die nahezu ausradierten deutschen Liberalen dürfen das für sie so verheerende Ergebnis der ostdeutschen Wahlen als Menetekel für die kommenden Bundestagswahlen sehen.
Ein Schub auch für die FPÖ?
Gilt das auch für unsere Wahlen? Erfährt die FPÖ, nach dem Beispiel der AfD, zusätzlichen Schub?
Vermutlich nicht: Eine Partei wie die AfD, ein Parteichef wie Thüringens Björn Höcke, wäre auch vielen potenziellen Rechtswählern in Österreich wahrscheinlich zu extrem.
Doch auch hierzulande geht es um Ängste und Gefühle der Wähler: die Migranten, das drohende Ende des Verbrennermotors, die „grüne Klimadiktatur“, das Gendersternchen, die LGBTQ-Verwirrung, die gestiegenen Preise.
Wann, bitte, hätte eine populistische Partei, egal ob mit Links- oder Rechtsdrall, dazu jemals vernünftige Lösungsvorschläge präsentiert? Grenzen dichtmachen – und dann kommen keine Asylsuchenden mehr? Mit Russland reden – und dann ist Frieden? AfD wählen – und dann prasselt der Wohlstand auf Thüringen hernieder?
Extreme Parteien verbieten? Solange sie sich an die Verfassung halten, ist das ebenso wenig möglich, wie Gefühle oder Ängste ihrer Wähler zu verbieten.
Sie aber mitregieren zu lassen, wäre ein fataler Fehler: Dann würden ihre absurden, extremen, fremdenfeindlichen Forderungen zum Programm.
Und auch die Regierung im kleinen Thüringen sollte damit nicht beginnen – und so schon wieder ein Kapitel dunkler deutscher Geschichte schreiben.
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