Königsmacherin Wagenknecht: Zwischen Ego-Trip und politischem Talent
Die Namensgeberin des Bündnisses Sahra Wagenknecht verschaffte ihrer Partei bei den Wahlen im Osten einen historischen Aufstieg. Was hat sie jetzt damit vor?
"Das ist eine Frau, die überall, wo sie war, in jedem Team, jeder Gruppe, jede Linie zerstört, weil sie ein unbeschreibliches Ego hat." So beschreiben Gegner wie der einstige CDU-Minister in Berlin und Sachsen Thomas de Maizière die Namensgeberin des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW):als narzisstische Einzelgängerin.
Viele ihrer Anhänger hingegen sehen in ihr fast schon so etwas wie eine Erlöserfigur, eine Heilsbringerin. Nicht selten ist von einem "Phänomen Sahra Wagenknecht" die Rede, sowohl von Weggenossen als auch Kommentatoren. Eine typische Populistin, urteilt der Politologe Albrecht von Lucke in einer jüngsten TV-Dokumentation, "die den Eindruck erweckt, alle anderen sind korrupt, aber ich bin ganz anders". Die wenigsten stellen ihr politisches Talent, Emotionen einzufangen und zu katalysieren, infrage.
30 Jahre in der Politik, hat Wagenknecht seit jeher dieselbe Rolle inne: die der Kritikerin der Mehrheitsmeinung. So sieht sie sich und will gesehen werden. Auch deswegen bezweifeln Politikbeobachter, ob sie es mit ihrem Regierungsbekenntnis nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen wirklich ernst meint. Das BSW wurde dort jeweils drittstärkste Kraft; für eine Regierungsmehrheit ohne AfD, wie es die anderen Parteien vorhaben, kommt man nicht an Wagenknecht vorbei.
Geboren 1969 in Jena in der DDR, soll sie in ihrer Kindheit eine Außenseiterin und später eine Einzelgängerin gewesen sein. Vor der Wende trat sie der Sozialistischen Einheitspartei (SED) bei, und stieg danach in der Nachfolgepartei PDS auf. Von 1991 bis 2010 war sie Mitglied der Kommunistischen Plattform, die vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestuft wurde. Für die Linke saß sie im Europaparlament, kam dann in den Bundestag und war Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin.
Auch innerhalb ihrer eigenen Partei war sie die ewige Kritikerin, prangerte die "Lifestyle-Linken" des "Großstadtmilieus" an, die sich auf gesellschaftspolitische Themen fokussierten statt für Anliegen wie faire Löhne und soziale Sicherheit einzutreten. Für Wagenknecht sind die Grünen die "größte Gefahr in der Demokratie"; gegen die AfD grenzt sie sich stets ab, vertritt teils aber ähnliche Positionen, etwa was die Begrenzung von Migration angeht.
Der große Bruch mit der Linken zeichnete sich spätestens nach Russlands Angriff auf die Ukraine ab: Die Unterstützung der Linken der Sanktionen gegen Russland widersprach Wagenknechts Verständnis von Pazifismus. Genauso stellt sich Wagenknecht gegen eine Verurteilung Russlands und unterstellt dem Westen und den NATO-Staaten Provokation.
Verheiratet ist Wagenknecht mit dem ehemaligen SPD-Politiker und Linken-Chef Oskar Lafontaine. Auch wenn er im Bündnis kein Amt inne hat, soll er wesentlich Einfluss haben auf Wagenknecht.
Selbst gegenüber ihren Anhängern behält Wagenknecht Distanz und Unnahbarkeit. Auch das trägt zu ihrem Personenkult bei. Ihre Wahlkampfauftritte absolvierte sie distanziert von den Bühnen aus, bevorzugte provokante, polemische Reden statt Bürgergespräche.
Mit der Gründung ihres eigenen Bündnisses nahm Wagenknecht eine wesentliche Schwächung ihrer einstigen politischen Heimat in Kauf: Bodo Ramelow, der einzige Linke-Ministerpräsident, den die Partei jemals stellte, sprach von einem „Brain drain“, den die Spaltung nach sich zog. Das ausdrückliche Ziel Wagenknechts, mit ihrem Bündnis der AfD Stimmen abzugraben, erreichte sie laut Wählerstromanalyse nicht. Die meisten Stimmen kamen von der Linken, der CDU und bisherigen Nichtwählern.
Die nächsten Wochen werden zeigen, was Wagenknecht aus den Erfolgen in Sachsen und Thüringen nun macht. "Wir wollen, dass Sachsen und Thüringen eine Regierung bekommen, die den Menschen tatsächlich auch wieder das Gefühl gibt, um sie wird sich gekümmert", so Wagenknecht am Montag. Dennoch gibt es Zweifel, ob sie wirklich reagieren will – oder ihre Angst vor einer Entzauberung vor der Bundestagswahl 2025 zu groß ist.
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