Klimagesetze: Wann dem Auto das Benzin abgedreht wird
Wer beim Kauf eines neuen Autos wieder mit einem Benziner oder einem mit Diesel betriebenen Fahrzeug liebäugelt, muss innerhalb der nächsten zwölf Jahre zuschlagen. Denn ab 2035 könnte es vorbei sein: Dann sollen, wenn es nach dem Vorschlag der EU-Kommission geht, keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr in Europa zugelassen werden.
Ob es tatsächlich dazu kommt, könnte sich diese Woche im EU-Parlament in Straßburg entscheiden. Doch die Frage – Auslaufdatum 2035 oder später? – ist unter den 705 Abgeordneten umstritten.
"Ein neues Auto hat eine durchschnittliche Lebensdauer von 15 Jahren", schildert der französische liberale EU-Abgeordnete Pascal Canfin. Der Chef des Umweltausschusses im EU-Parlament erklärt: "Wenn Europa wie geplant bis 2050 klimaneutral sein will, dann müssen wir dafür sorgen, dass neue Autos ab 2035 kein CO2 mehr ausstoßen." Derzeit verursacht der Verkehr 15 Prozent der Treibhausgasemissionen in Europa.
Erst nach der heiß umkämpften Abstimmung am Mittwoch wird klar sein, ob die Mehrheit der Abgeordneten mitzieht. Erwartet wird ein äußerst knapper Ausgang.
Heißer Monat Juni
Bis 2030 will die EU zum Schutz des Klimas ihre Treibhausgase um 55 Prozent senken (gegenüber 1990). Dafür müssen Gesetze für Wirtschaft, Verkehr, Haushalte geändert werden. Erste konkrete Schritte werden jetzt gesetzt. Bis Ende Juni wollen EU-Parlament und die 27 EU-Regierungen jeweils ihre Positionen festlegen
Klimaneutralität
Bis 2050 will die EU klimaneutral sein – also unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausstoßen
3.500 Seiten
umfassen die acht Klimagesetze, über die das EU-Parlament diese Woche abstimmt
Gegen ein hundertprozentiges Verbrenner-Verbot haben sich Europas Christdemokraten, also auch die ÖVP-EU-Angeordneten, und die Konservativ-Rechten positioniert. Sie schlagen vor, die CO2-Emissionen der Pkw bis 2035 nur um 90 Prozent zu senken. Das würde der Automobilindustrie noch eine längere Übergangszeit ermöglichen. Zudem wollen sie ein Anrechnungssystem für synthetische Kraftstoffe durchsetzen. "Nicht die Politik soll entscheiden, wie dekarbonisiert wird, sondern die Industrie", sagt Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion.
Doch die Senkung des Schadstoffausstoßes bei Autos ist nur eines von acht Klimagesetzen, über die nun im Parlament abgestimmt wird. Und überall sind heftige Kontroversen zu erwarten.
Chinesischer Stahl
So etwa beim geplanten Grenzausgleichmechanismus (CBAM): Künftig sollen Importeure Abgaben leisten, wenn sie klimaschädlicher produzieren als Unternehmen in der EU. Dann wäre der unter großen Umweltschäden hergestellte, aber billige Stahl aus China künftig erheblich teurer.
Kritiker, die erneut in der Europäischen Volkspartei zu finden sind, halten dem entgegen: Noch sei nicht sicher, ob dieser Mechanismus überhaupt je funktionieren würde.
Höchst umstritten ist auch die Reform des Emissionshandels: "Er ist das größte Klimainstrument in der EU", sagt der deutsche EU-Abgeordnete Michael Bloss (Grüne): Seit 2005 müssen 11.000 Unternehmen in der EU Zertifikate für jede Tonne CO2kaufen, die sie verursachen. Das einfache Prinzip dahinter: Wer verschmutzt, muss mehr zahlen. Das zwang Unternehmen mit Erfolg, zu dekarbonisieren.
Sozialdemokraten, Linke und Grüne wollen dieses Emissionshandelssystem nun erheblich ausweiten. Sie wollen die CO2-Emissionen bis 2030 um 60 Prozent (verglichen mit 1990) senken. Ihr Argument: Nur so sei das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Die anderen Fraktionen beharren hingegen auf dem Vorschlag der EU-Kommission. Der sieht eine Senkung um 55 Prozent vor.
Gebremst haben Grüne und Sozialdemokraten schon im Voraus beim Plan, den Emissionshandel auf privaten Verkehr und Wohnungen auszuweiten. Das hätte das Fahren und Heizen erheblich verteuert. Die Angst vor sozialen Protesten war groß. Frühestens 2029 soll das Thema erneut auf den Tisch kommen.
Bis zu den Abstimmungen im Parlament schlägt aber auch noch einmal die Stunde der Lobbyisten. Ein „wahrer Tsunami“, sei in den vergangenen Wochen hereingebrochen, schildert Abgeordneter Pascal Canfin. "Jede Interessensgruppe verteidigt ihre eigenen, finanziellen Interessen. Wenn man alle Forderungen der Lobbyisten zusammenzählen würde, wären wir nicht auf dem Weg zu 1,5 Grad, sondern hätten plus 30 Grad."
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