Israel steuert auf vierte Knesset-Wahl binnen 24 Monaten zu

Die Koalitionäre Benny Gantz (l.) und Benjamin Netanjahu sind einander schon länger nicht grün
Parlament stimmte für Auflösung, muss diesen Beschluss aber noch zwei Mal bestätigen. Premier Netanjahu spielt indes auf Zeit.

Israels Weg zu Neuwahlen scheint frei zu sein. Es wären die vierten in zwei Jahren. Mit klarer Mehrheit von 61 zu 54 Stimmen lösten am Mittwoch die 120 Abgeordneten der Knesset ihr Parlament auf. Was zu erwarten war, nachdem Premier Benjamin Netanjahu die seit fast zwei Jahren überfällige Abstimmung zu einem „neuen“ Haushalt erneut verschieben wollte – gegen das Abkommen mit Koalitionspartner Benny Gantz und dessen Blau-Weiß-Partei. Denn ein erneuter Aufschub könnte die abgemachte Rotation des Premier-Amtes von Netanjahu auf Gantz verhindern. Allerdings hätten derzeit beide Parteien schlechte Chancen an der Urne. Daher könnte ein Kompromiss bis zur erforderlichen 2. und 3. Lesung des Auflösungsgesetzes möglich sein.

"Netanjahu ist ein Lügner"

Vor den Mikrofonen klang Gantz diesmal anfänglich entschlossen: „Netanjahu ist ein Lügner, der seine Zusagen konsequent nicht einhält.“ Doch am Ende war er dann wieder der alte Zauderer: Sollte Netanjahu den neuen Haushalt doch bis Jahresende durchbringen, könne die Auflösung noch gestoppt werden. Womit der Ex-Armeechef nicht zum ersten Mal in seiner kurzen Polit-Karriere in eine Netanjahu-Falle tappte: Gantz sei es, konterte Netanjahus Likud-Partei, der in Corona-Zeiten die so dringend notwendige politische Einheit spalte.

Israel steuert auf vierte Knesset-Wahl binnen 24 Monaten zu

Premier Netanjahu geht es primär um den Machterhalt

Netanjahu geht es primär um den Machterhalt. Frühe Neuwahlen im März wären für ihn nicht optimal. Ein dritte Corona-Welle könnte einsetzen, und die Arbeitslosenzahlen brechen jetzt schon alle Rekorde. Doch durch geschicktes Zeitschinden könnte er den Termin bis Juni hinauszögern – bis nach den ersten Corona-Impfungen. Netanjahu braucht auch Zeit, um weiter in seiner Funktion als Premier vor Gericht erscheinen zu können. Die Anklage lautet auf Betrug, Veruntreuung und Korruption. Ohne Amt, glaubt Netanjahu, wird es vor den Richtern für ihn schwerer.

Der Nutznießer von Neuwahlen

Ob Neuwahlen im März oder Juni stattfinden – der Nutznießer wird laut Umfragen Naftali Bennett von der neuen Rechtspartei Yamina sein. Ehemals ein enger Vertrauter Netanjahus, heute dessen Intimfeind. So sieht es wieder nach einer neuen Rechtskoalition aus. Ob erneut unter einem Premier Netanjahu ist nicht ganz so sicher. Bennet könnte ihn ersetzen. Eventuell im Austausch für ein neues Immunitätsgesetz im Rahmen der neuen Koalition, das Netanjahu Straffreiheit gegen Rücktritt gewährt.

Netanjahu-Pakt mit arabischen Abgeordneten?

Auffällig war bei der gestrigen Abstimmung aber, dass sich die islamischen konservativen Abgeordneten der Vereinigten Arabischen Liste nicht beteiligten. Sie signalisierten damit erneut, dass sie zur Zusammenarbeit mit jeder Regierung bereit sind, wenn dabei Zugeständnisse für ihre Wähler zu erwarten sind.

Wenn nun eine Rechtsregierung mit arabischen Abgeordneten gemeinsame Sache machte, könnte in Zukunft keine Regierung mehr vor einer solchen Zusammenarbeit zurückscheuen. Und Netanjahu ist dazu bereit. Er hat kein ideologisches Ziel mehr, sondern nur ein Interesse – einem Gerichtsurteil zu entgehen.

 

Kommentare