„Femen“-Moment bei Protesten in Israel

„Femen“-Moment bei Protesten in Israel
Demonstrationen mit entblößten Brüsten. Aber auch orthodoxe Juden bei Anti-Premier-Demos.

Weiße Rosen wurden den Polizisten entgegengehalten. Deren Mienen wechselten überrascht von streng auf verunsichert. Im Hintergrund: Leise Hippie-Lieder statt lärmender Slogans – die Proteste in Israel haben sich verändert. Auch die Zahl der Teilnehmer, die sich vor der Jerusalemer Residenz des israelischen Premiers Benjamin „Bibi“ Netanjahu in der Balfour-Straße versammeln: 4000 stellen einen neuen Rekord dar.

„Femen“-Moment bei Protesten in Israel

Zur Zukunft von Benjamin Netanjahu als Premier: "No Way"

Die meiste Aufmerksamkeit zogen fünf junge Frauen auf sich, die sich drei Minuten lang im Femen-Stil oben ohne zeigten, andere waren nur sehr leicht bekleidet. Und gleich daneben: Auffallend viele Mitdemonstranten, die durch ihre Kopfbedeckung als fromme Juden zu erkennen waren. Alle brachte sie der Frust zusammen. Er steigt mit der Zahl der Arbeitslosen wie die Zahl neuer Corona-Infizierter. Ben Caspit, ein linker Kolumnist der Zeitung Maariv, sah den „Femen“-Style als Störung der Einheit: „Zum Glück war das in der Menge nur ein nervendes Bild am Rande.“

Bevölkerungsmix

Tatsächlich handelt es sich bei den Protestlern um einen repräsentativen Bevölkerungsmix: Korruptionsgegner, die schon seit Jahren als kleines Häuflein in der schmalen Balfour-Straße ihre Mahnwache abhalten, um auf gerichtsanhängige Malversationen „Bibis“ hinweisen. Und jetzt eben „wilde Jugendliche“, aber auch frustrierte Senioren. „Ich hab es satt, zu Hause die Wände anzustarren. Netanjahu will doch nur seine Verurteilung vor Gericht verhindern. Von wegen Korona-Bekämpfung: Je länger, desto besser für ihn“, sagt etwa Nechama, sie ist über 70.

„Femen“-Moment bei Protesten in Israel

Mit ihr geht die Polizei sorgsam um, mit Jüngeren weniger. Da werden auch schon mal die Knüppel geschwungen. Mit dabei auch „Pro-Bibiisten“, die Netanjahu-Gegner verprügeln wollten. Doch das reicht Amir Ochana, Minister für Innere Sicherheit, noch nicht: „Gegen Äthiopier, Orthodoxe oder Araber schlägt die Polizei härter zu.“ Ochana ist bekennender Schwuler, in anerkannter Ehe lebend und mit adoptiertem Kind.

Vorbei die Zeit der Rosen

Ab 23:00 Uhr pocht die Polizei jedenfalls täglich auf die Einhaltung des Lärmschutzes. Sie verhindert dabei aber den Abzug des Kerns der Mahnwache in den nahen Stadtpark, wo schon Zelte für die Nacht bereitstehen. „Das war aber mit der Polizei so abgemacht“, entrüstete sich Amir Heskel, Oberst der Reserve, der seit Jahren zur Mahnwache hier gehört. Womit die Zeit der Rosen dann vorbei ist. Zuletzt kam es eine Stunde lang zu Rempeleien zwischen Polizisten und Demonstranten.

Kommentare