Historische Beschlüsse: "Putin bekommt jetzt mehr NATO"
Der Elefant im Raum heißt Wladimir Putin. Beim zweitägigen Gipfel der NATO-Staats- und Regierungschefs in Madrid ist es der russische Präsident, der indirekt das große Thema setzt. Und das lautet: Die 30 Mitgliedsländer der NATO agieren geeinter und stärker denn je – gegen Putin und dessen Kriegskurs.
Zum westlichen Militärbündnis stoßen nun zwei neue, militärisch potente Staaten dazu.
Erweiterung provoziert
Unmittelbar vor Beginn des NATO-Gipfels am Mittwoch hatte der türkische Präsident Erdoğan seine Blockade aufgegeben und den Weg für den Beitritt Schwedens und Finnlands frei gemacht. Schwedens Regierungschefin Andersson und der finnische Präsident Niinistö erhielten deshalb gestern die ungeduldig erwartete, offizielle Einladung der NATO, dem Bündnis beizutreten.
"Das war wochenlange harte Arbeit", zeigte sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg über das Abkommen zwischen Stockholm, Helsinki und Ankara erleichtert.
Für den britischen Premier Boris Johnson war dies gestern durchaus ein Moment für einen verbalen linken Haken in Richtung des Kremlchefs: "Putin bekommt jetzt mehr NATO denn je", giftete Johnson. Einer der Gründe, warum Putin seine Armee in der Ukraine hatte einmarschieren lassen, war aus der Sicht des russischen Präsidenten die Erweiterung der NATO gegen Osten gewesen.
Doch mit dem Krieg gegen die Ukraine hat der Kremlherr nun statt weniger NATO in seiner Nachbarschaft nun auch noch eine Nord-Erweiterung des Bündnisses provoziert. Für den NATO-Beitritt hat Schweden seine über 200 Jahre alte Neutralität aufgegeben.
"Fundamentaler Kurswechsel"
Als "historisch" bezeichnete NATO-Chef Stoltenberg den Gipfel aber auch noch aus anderen Gründen: "Wir haben einen fundamentalen Kurswechsel unserer Abschreckung und Verteidigung beschlossen", sagte er. Konkret bedeutet dies eine massive Verstärkung der Truppenstärke entlang der NATO-Ostflanke.
Statt wie bisher 40.000 Soldaten sollen künftig 300.000 Soldaten die Ostflanke sichern.Die USA kündigten an, dass in Polen „die ersten permanenten US-Truppen an der Ostflanke der NATO“ stationiert werden – bisher waren sie dort nur auf Rotationsbasis. Weiter werden in Rumänien und in den baltischen Staaten die US-Truppen ausgebaut. Zwei zusätzliche Geschwader mit F-35-Kampfjets werden von den USA nach Großbritannien entsandt.
Bereits in den vergangenen Monaten haben die USA die Zahl ihrer Soldaten in Europa um rund 20.000 auf mehr als 100.000 erhöht. "Putin wollte die Finnlandisierung Europas. Er wird die Natoisierung Europas bekommen", sagte US-Präsident Joe Biden dazu.
"Herausforderung" China
Im neuen strategischen NATO-Konzept – es löst jenes aus dem Jahr 2010 ab – heißt es nun gegenüber Russland, es sei die "größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum". Die Ukraine soll weiter mit Waffenlieferungen unterstützt werden.
Vor allem auf Druck der USA hin wird im strategischen Konzept auch auf China eingegangen. Es wird dort als Land beschrieben, das versucht, strategisch wichtige Technologie- und Industriesektoren, kritische Infrastruktur sowie Lieferketten unter seine Kontrolle zu bringen. Als Gefahr wird zudem die zunehmende strategische Abstimmung zwischen China und Russland genannt.
In Reaktion auf die "systemischen Herausforderungen" durch China wollen die NATO-Mitgliedsstaaten nun ihr "gemeinsames Lagebild verbessern und die Resilienz und Abwehrbereitschaft erhöhen".
Kommentare