Clintons Schwächen: Warum sie Trump nicht auf Distanz halten konnte
Hillary Clinton hat sich schwergetan im Wahlkampf 2016. Sie startete als Favoritin - unter den anfangs über 20 Bewerbern beider Parteien war sie die einzige mit weltpolitischem Ruf und langjähriger Erfahrung auf nationaler und internationaler Ebene. Fünf Gründe, warum sie Donald Trump nicht abschütteln konnte:
- Hillary Clinton unterschätzte Bernie Sanders: Der Senator aus Vermont kam mit einem neuen, viel frischeren Politikansatz auf die Bühne, seine Kundgebungen waren wie Rockkonzerte. Die jungen Leute folgten ihm in Scharen. Clinton hatte darauf keine eindeutige Antwort - und musste sich Sanders im Vorwahlkampf noch erwehren, als Trump schon längst Richtung Wahl am 8. November blickte.
- Sie kommt mit altbackenen Konzepten daher: Der Wahlkampf der Frau, die seit 30 Jahren politisch aktiv ist, lief im Grunde nicht viel anders als der ihres Mannes Bill in den 1990er-Jahren. Clinton entspricht nicht dem sehnlichen Volkswunsch nach Wandel.
- Sie schaffte es nicht, ihr Glaubwürdigkeitsproblem abzuschütteln: Die Mehrheit der Amerikaner vertraut Clinton nicht. Selbst der nachweisliche Lügner Donald Trump wurde von vielen als vertrauenswürdiger eingeschätzt, auch weil er gezielt in Clintons offene Flanken stieß.
- Die E-Mail-Affäre: Clinton konnte sie nie ganz beilegen, auch, weil sie nie reinen Tisch machte. Auch wenn in den nun veröffentlichten E-Mails kaum belastendes Material zu finden ist. Die halbseidenen Informationen rund um ihre Beraterin Huma Abedin und deren Mann Anthony Weiner oder Clintons Verflechtung von Regierungsamt und Privatinteressen ihrer Stiftung - all das nährte Zweifel an ihrer Integrität.
- Beleidigung von Trumps Unterstützern: Clinton sagte, die Hälfte der Trump-Anhänger könne man in einen "Sack von Kläglichen" stecken. Dies zeige, wie verächtlich Clinton über seine weißen, wirtschaftlich hart getroffenen Unterstützer spreche, konterte Trump. Clinton ruderte zurück: Es sei nie eine gute Idee, etwas grob zu verallgemeinern.
- Clintons Persönlichkeit ist nicht die der volksnahen Führerin: Sie wird als eiskalte Karrierefrau wahrgenommen, aber nicht liebevoll und mitfühlend. Amerika strebt nach dem idealen Präsidenten. Ihr Image konnte Clinton jedoch nicht maßgeblich verändern - trotz kräftiger Mithilfe der Familie um Ehemann Bill und Tochter Chelsea.
Vollblutpolitikerin mit Hang zur Geheimniskrämerei
Als erste Frau in der Geschichte könnte Clinton Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika werden. Clinton kennt das politische Geschäft schon lange. Sie steht seit Jahrzehnten im Kreuzfeuer der medialen Aufmerksamkeit und in der Schusslinie des politischen Gegners. Clinton will Geschichte schreiben und als erste Frau das mächtigste Amt der Welt übernehmen. Auf dieses Ziel hat sie in den vergangenen Jahren akribisch hingearbeitet, ihm fast alles untergeordnet.
Es folgte ihre Wahl in den Senat für den Bundesstaat New York und der Posten als Außenministerin in der ersten Amtszeit von Präsident Barack Obama - der ihr 2008 in ihrem ersten Anlauf zum Präsidentenamt eine Niederlage zugefügt hatte. Von 2009 bis 2013 bereiste sie in diesem Amt 112 Länder und soll über eine Million Kilometer zurückgelegt haben. Nach dem Ausscheiden aus dem Amt hielt sie viele gut dotierte Reden, weswegen ihr Kritiker eine zu große Nähe zur Wirtschaft vorwerfen. Mehr über Hillary Clintons Werdegang lesen Sie hier.
Glühenden Trump-Anhängern mag ein möglicher Wahlsieg Hillary Clintons wie der größte anzunehmende Albtraum anmuten – der überzeugte Republikaner Cameron Hopkins kann dem hingegen einiges abgewinnen. "Wartet nicht!!", wirbt der Waffenhändler im Schaufenster seines Geschäfts in Las Vegas mit großen Plakaten. "Die Preise werden in die Höhe schießen, wenn Betrügerin Hillary gewinnt." Sein Angebot also an seine Kunden: "Ein Vor-Hillary-Abverkauf" ("Pre-Hillary Sale", siehe Bild unten). Darunter als besonderes "Schnäppchen": eine halb-automatische Smith & Wesson für schlanke 699,99 Dollar.
Siegt die Demokratin am Dienstag bei den Präsidentenwahlen, wird es nicht anders sein als bei der Wahl Barack Obamas 2008 und dessen Wiederwahl vor vier Jahren: Die Preise für Waffen werden steigen. Und die Käufe werden dennoch erheblich zunehmen, zumal konservative Clinton-Hasser davon ausgehen, dass die erste Chefin im Weißen Haus versuchen wird, den freien Zugang zu Waffen einzuschränken. Doch vermutlich wird dies einer Präsidentin Hillary Clinton ebensowenig wie ihrem Vorgänger Obama gelingen.
Sie hält den Kurs
Und auch in vielen anderen Bereichen würde die erste Frau an der Spitze der Vereinigten Staaten den Kurs Obamas fortsetzen: Vom Plan, Krankenversicherung für alle Amerikaner durchzusetzen, bis hin zu einer grundlegenden Einwanderungsreform. Das würde elf Millionen illegalen Einwanderern ermöglichen, sich legal in den USA niederzulassen.
Doch wie schon bei ihrem Vorgänger Obama wird der republikanisch dominierte Kongress nichts unversucht lassen, um der 69-jährigen Präsidentin das Leben schwerzumachen. Vom Tag eins ihrer Amtszeit im Jänner an wird ihr scharfer Gegenwind entgegenwehen, eine Einstiegs-Schonfrist gibt es nicht.
Schon gar nicht angesichts eines Wahlverlierers Donald Trump, der eines im Leben nie gelernt hat: eine Niederlage zu verdauen. Auf die Präsidentin und ihr Regierungsteam könnte also gleich eine Lawine an Klagen zurollen, mit denen Trump die "Betrügerin" eindecken wollte. Denn alles andere als ein Sieg für ihn, so hatte es der Milliardär vor dem Wahltag angedeutet, könne ja wohl nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.
Frei von überhöhten Erwartungen
Anders als einst Barack Obama würde Hillary Clinton ihr Amt nicht getragen von einem nationalen Euphorie-Schub antreten. Im Gegenteil: Die ehemalige First Lady findet sich unter den unbeliebtesten Präsidentschaftskandidaten in der Geschichte der USA. Anders gesagt kann dies aber auch bedeuten: Frei von überhöhten Erwartungen an sie, könnte Hillary Clinton einen pragmatischen politischen Kurs fahren, der langfristig mehr Erfolge bringt, als ihr momentan zugetraut wird.
Außenpolitisch sind von ihr jedenfalls keine militärischen Interventions-Abenteuer zu erwarten. Zu den Verbündeten in der NATO und in Übersee aber würde die Oberbefehlshaberin der mächtigsten Armee der Welt weiterhin treu stehen.
Revolutionäres ist von Hillary Clinton auch in punkto Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht zu erwarten. Mit einem gewaltigen Investitionsprogramm in Höhe von 250 Milliarden Euro soll vor allem die marode Infrastruktur der USA saniert werden. Zehn Millionen Menschen sollen neue Jobs erhalten.
Doch auch hier geht nichts ohne die Zustimmung des Kongresses. Und im speziellen nichts ohne den republikanischen Chef des Repräsentantenhauses – Paul Ryan. Der gilt zwar als kompromissfähig, doch nur zu seinen Konditionen. Was für den künftigen Wirtschaftskurs Clintons bedeuten wird: Die gesunkenen Einkommen amerikanischer Durchschnittsfamilien, die so viele in Verzweiflung und in den Anti-Establishment-Furor getrieben haben, wird auch die demokratische Präsidentin nicht so bald wieder heben.
Deutlicher als Barack Obama kann man eigentlich nicht mehr werden. "Die Welt steht am Abgrund", falls Donald Trump ihm ins Weiße Haus nachfolgen würde, warnte der US-Präsident erst vor zwei Tagen. Einflussreiche Republikaner, die sich inzwischen mit dem ungeliebten Quereinsteiger abgefunden haben, beschwichtigen: Zwischen dem großmäuligen Wahlkämpfer und dem US-Präsidenten Trump würden Welten liegen. Man dürfe Trump einfach nicht ständig wörtlich nehmen.
Trump selbst tut das ebenfalls nicht. Viele politische Versprechen, mit denen er über Monate seinen Wahlkampf bestritten hat, sind inzwischen klammheimlich aus seinen Reden verschwunden. Die kollektive Abschiebung von elf Millionen illegalen Einwanderern etwa oder der Einsatz von Atomwaffen gegen die Terrormiliz IS. Auch das künftige Team für diese Präsidentschaft ist noch nicht auszumachen.
Eines aber wird immer klarer. Trump will im Falle eines Wahlsieges schon von der Angelobung weg schwerwiegende Entscheidungen treffen – und er will sich dabei nicht vom Kongress abhängig machen. Auch wenn der – zumindest im politisch schlagkräftigeren Repräsentantenhaus – voraussichtlich wieder eine republikanische Mehrheit haben wird. Er wird also versuchen, über "executive orders", also präsidiale Erlässe, Dinge rasch umzusetzen.
Das Ziel Nr.1
Derzeit Ziel Nummer 1 ist die Aufkündigung von "Obamacare", der umstrittenen Gesundheitsreform des amtierenden Präsidenten. Doch auch weltpolitisch könnte es rasch heftig hergehen.
Iran und Naher Osten
Trump will das über Jahre mühsam ausgehandelte Atomabkommen mit dem Iran sofort – und ebenfalls per Erlass – aufkündigen. Außerdem soll der Kampf gegen die Terrormiliz IS verstärkt werden. Die geplante Aufnahme weiterer syrischer Flüchtlinge in den USA soll umgehend gestoppt werden. Trump sieht sie als potenzielle Terroristen. Das teure militärische Engagement der USA im Nahen Osten der vergangenen Jahre soll ein Ende haben.
Russland
Trump hat Putin mehrfach als stärkeren Führer als Obama bezeichnet und will den Konfrontationskurs mit Russland – vor allem wegen der Ukraine – aufgeben. Es wäre doch besser, betont er, wenn man mit Russland gut auskäme. Trump werden auch enge wirtschaftliche und auch politische Verbindungen nach Russland nachgesagt. Das FBI ermittelt, hat aber bisher keine aufsehenerregenden Ergebnisse veröffentlicht. In der Russland-Frage wird Trump unweigerlich auf massiven Widerstand in der eigenen Partei stoßen, wo man auf mehr Härte gegen Moskau drängt.
NATO und Europa
Trump ist ein großer Bewunderer des britischen Brexit, den er als Vorbild für die Befreiung eines Landes aus den Zwängen internationaler Wirtschaftsverträge sieht. In der Zusammenarbeit mit den europäischen NATO-Partnern will er von diesen mehr Geld und mehr militärische Leistungen einfordern. Die USA würden nicht mehr umsonst den Beschützer für Länder wie Deutschland spielen. Ähnliches gilt auch für außereuropäische Verbündete wie Japan oder Südkorea. Die Rolle der USA als Weltpolizist will der eher isolationistisch denkende Trump zurückfahren. Man werde nur noch im eigenen Interesse operieren: "America first".
Umweltpolitik
Trump hat die Klimaerwärmung wiederholt als wissenschaftliche Fälschung bezeichnet, die die Chinesen in Umlauf gebracht hätten, um die US-Wirtschaft in die Knie zu zwingen. Er will auf den massiven Ausbau der Rohstoff-Förderung in den USA setzen, also auch auf die Gewinnung von Erdöl und Erdgas durch das umstrittene Fracking. Abbau und industrieller Einsatz von Kohle soll in den USA wieder intensiviert werden. "Saubere Kohle", also deren Verbrennung mit unterirdischer Speicherung der entstehenden Treibhausgase, soll neuen Wohlstand in die verarmten Kohlereviere bringen. Den soeben abgesegneten Klimavertrag von Paris will Trump – ebenfalls per Erlass – kündigen.
Wirtschaftspolitik
Trumps wirtschaftspolitisches Feindbild sind internationale Freihandels- und Wirtschaftsabkommen wie etwa NAFTA, das die USA, Kanada und Mexiko umfasst. Trump hat NAFTA zum Verbrechen an den Amerikanern erklärt, das Millionen von Jobs gekostet habe. Ebenso ablehnend betrachtet er ähnliche Abkommen mit Europa (TTIP) oder mit dem pazifischen Raum (TTP). China, das Trump als wirtschaftlichen Hauptfeind betrachtet, soll mit Sanktionen gezwungen werden, seine Währung aufzuwerten. Außerdem sollen US-Firmen wie Apple, die ihre Produktion nach China auslagern, mit Strafzöllen belegt werden.
Militär
Trump will das US-Militär, das er ständig als abgewirtschaftet und veraltet bezeichnet, umfassend modernisieren und dabei auch neue Nuklearwaffen entwickeln und in Betrieb nehmen. Es könne nicht sein, dass Russland und China ihre Armeen aufrüsteten und die USA dadurch militärisch ins Hintertreffen gerieten. Die US-Streitkräfte würden unter seiner Regierung stärker denn je sein.
Einwanderung
Trumps wohl weltweit bekanntestes Versprechen ist der Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, für den der Nachbarstaat bezahlen werde. Mexiko hat das längst kategorisch abgelehnt und auch in den US-Bundesstaaten an der Grenze sieht man das Projekt mit geschätzten Gesamtkosten von etwa 400 Milliarden Dollar skeptisch. In den vergangenen Monaten hat Trump das Mauerprojekt immer seltener erwähnt. Auch sein Plan, die elf Millionen illegalen Einwanderer, die teils seit Jahrzehnten in den USA leben, sofort abzuschieben, scheint vom Tisch zu sein. Trump spricht derzeit nur von einer Politik verschärfter Kontrollen und von der Abschiebung krimineller Ausländer.
Trumps Superlative
Wirklich verlassen kann man sich auf diese politischen Zielvorgaben und Versprechen allerdings nicht. Trump gilt als sprunghaft und neigt zu Überreaktionen, wenn er sich angegriffen oder gar veräppelt fühlt. Schlagkräftige Superlative sind ihm, wie auch sein Biograf Michael D’Antonio ("Trump Nation") deutlich macht, "wichtiger als die Wahrheit".
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