Mehr als 7.000 Palästinenser sollen nach Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums durch die israelischen Luftschläge im Gazastreifen bereits getötet worden sein - seit die Terroristen der Hamas in Israel bei einer Massaker 1.400 Menschen ermordet hatten. Zusätzlich haben die radikal-islamistischen Kämpfer mindestens 220 israelische Geiseln nach Gaza verschleppt. Die Hamas hat sich mit ihren an Zivilisten verübten Blutbädern bereits schwerster Kriegsverbbrechen schuldig gemacht.
Doch wie weit darf Israel bei seinem Ziel gehen, die Hamas auszulöschen? Darf der Bevölkerung in Gaza die Wasserversorgung, die Lieferung von Strom und Benzin abgedreht werden? Und werden Vergehen gegen Völkerrecht je geahndet? Der KURIER versucht die wichtigsten Fragen zu beantworten.
Wie weit darf Israel bei seiner legitimen Selbstverteidigung gehen?
Das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff - und nichts anderes war der Terror der Hamas am 7. Oktober - ist laut Artikel 51 der UN-Satzung unbestritten.
Doch auch dieses Recht wird eingegrenzt - vom humanitären Völkerrecht. Das bedeutet so viel wie, dass zwischen Zivilisten und Kämpfern, zwischen zivilen Objekten und militärischen Zielen unterschieden werden muss. Zivilisten oder zivile Objekte dürfen also nicht bewusst Ziel von Angriffen sein.
Im Gazastreifen starben bereits 5.000 Menschen, die Mehrheit davon Zivilisten. Handelt es sich dabei also um ein Kriegsverbrechen?
So grausam es ist: Das humanitäre Völkerrecht erkennt Opfer in der Zivilbevölkerung als sogenannte Kollateralschäden an. Spitäler, Schulen, Kindergärten etc dürfen natürlich nicht bombardiert werden. Doch platziert die Hamas einen Raketenwerfer auf dem Dach eines Krankenhauses oder lagert sie Waffen im Keller eines Kindergarten, handelt es sich nicht mehr um ein ziviles Objekt und darf bombardiert werden. Dennoch muss der Angriff "verhältnismäßig" sein.
10 Opfer, 100 Opfer, 1.000 Opfer - was bedeutet "verhältnismäßig" im Krieg?
Dafür gibt es keine konkrete Definition, das liegt in der Abwägung des jeweiligen Angriffsfalles bzw in der des untersuchenden Gerichts. Je nach Bedeutung des militärischen Ziels kann der Kollateralschaden sehr hoch sein.
Darf Israel den Gazastreifen von der Strom- und Wasserversorgung abschneiden?
Diese Maßnahme betrifft fast die gesamte Zivilbevölkerung in Gaza - mehr als 2 Millionen Menschen. Wird ihnen der Zugang zu Wasser, Energie, Medikamenten, Benzin und Diesel (für die Spitäler unerlässlich) verwehrt, verstößt dies gegen den Grundsatz, die Zivilbevölkerung bestmöglich zu verschonen.
Kollektivstrafen verstoßen gegen das Völkerrecht, und nach Meinung der Mehrheit der vom KURIER befragten Völkerrechtler, sind hier nahezu alle Menschen in Gaza von dieser Blockade betroffen - unterschiedslos, ob sie der Hamas angehören oder nicht.
Israel hat die Bewohner des nördlichen Gazastreifen aufgeordert, das Gebiet zu verlassen. Ist das legal?
Eine Million Zivilisten sind binnen einer Woche in den Süden geflohen, die Hamas hat sie teilweise daran gehindert. Jan Egeland, Ex-Außenminister Norwegens und heute Präsident der Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council ebenso wie das Internationale Komitee des Roten Kreuzes bezeichneten die Evakuierungsaufforderung als Rechtsbruch.
Anders sieht es der Völkerrechtler Stefan Talmon im Gespräch mit der Deutschen Welle: Grundsätzlich sei die Evakuierung der Zivilbevölkerung durch eine Besatzungsmacht im Völkerrecht zulässig. "Etwa um dadurch den Schutz und die Sicherheit der Bevölkerung sicherzustellen und militärische Operationen zu ermöglichen." Talmons Einschätzung nach verhält Israel sich hier also nicht rechtswidrig.
Ist eine israelische Bodenoffensive vom Völkerrecht gedeckt?
Im Rahmen von Israels Selbstverteidigung - ja. Doch auch hier gilt der Grundsatz der "Verhältnismäßgkeit", also das Gebot, die Zivilbevölkerung bestmöglich zu verschonen.
Und was ist mit den Verbrechen der Hamas?
Die gezielte Tötung von Zivilisten, Folter und Verschleppung von Zivilisten - alles Kriegsverbrechen. Und auch wenn die Hamas eine Terrororganisation und kein Staat ist, sind die Hamas und ihre auf 30.000 Mann geschätzten Kämpfer an das humanitäre Völkerrecht gebunden.
Werden die Verstöße gegen das Völkerrecht denn auch je geahndet werden?
Theoretisch ja - auch wennIsrael kein Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) ist. Aber es könnte für das, was es im Gazastreifen zu verantworten hat, strafrechtlich verfolgt werden, sagt der oberste Ankläger des IStGH in Den Haag.
In der Praxis scheint dies allerdings derzeit schwer vorstellbar.
Hamas-Terroristen bzw ihre Befehlsgeber können für ihre Verbrechen vom IStGH angeklagt werden, zumal die Palästinensische Autonomiebehörde den Strafgerichtshof anerkennt. Die palästinensischen Gebiete, einschließlich des Gazastreifens, fallen in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs.
„Wenn es Beweise dafür gibt, dass Palästinenser, egal ob Hamas oder Al-Quds-Brigaden oder der bewaffnete Flügel der Hamas oder eine andere Person oder ein anderer Staatsangehöriger eines anderen Vertragsstaats, Verbrechen begangen haben, haben die Gerichtsbarkeit, wo immer sie sind“, sagte IStGH-Ankläger Karim Khan bereits vor einigen Monaten in einem Interview.
(kurier.at, ist)
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Aktualisiert am 25.10.2023, 09:13
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