G7: Der Gipfel der wankenden Riesen
Einst wurden die G7 als exklusiver Club der Mächtigen der westlichen Welt in den 1970 ern gegründet. Doch aus der Idee, dass am Tisch der Weltenlenker globale Probleme leichter zu lösen seien, ist heute wenig übrig. Fast jeder der Teilnehmer beim Gipfel in Biaritz schleppt politische und wirtschaftliche Probleme zu Hause mit sich herum - und möchte die oft nicht im Konsens, sondern auf Konfrontationskurs mit den anderen lösen. Donald Trump liefert mit seiner „America zuerst“-Politik ständig neuen Sprengstoff in Runde, die zu keiner Einigkeit findet.
Donald Trump (USA):
Angeschlagen und auf Krawall gebürstet
Wahrscheinlich ärgert Donald Trump ja am allermeisten, dass ihn sein Lieblingssender Fox derzeit etwas kritischer als sonst anfasst. Allein die dort präsentierten aktuellen Umfragen, die besagen, dass der US-Präsident gleich gegen mehrere demokratische Präsidentschaftswerber ins Hintertreffen geraten ist, bringen ihn merklich aus dem Takt. Trump liefert mit wachsender Frequenz einander widersprechende Ankündigungen, etwa über eine Steuerreform, die gleich im Anschluss wieder abgeblasen wird. Wegen eines ohnehin explodierenden Budgetdefizits. Wie so oft, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt, reagiert der grundsätzlich impulsive Trump mit heftigen Gegenangriffen. Genau die sind auf dem G7-Gipfel zu erwarten, etwa beim Thema Handelskrieg.
Angela Merkel (D):
Viele Gipfel und Hitzköpfe hinter sich
Der Südtirol-Urlaub ist zu Ende, Angela Merkel wieder zurück an ihrem Schreibtisch, wo ein Stapel an Problemen wartet: Der ungewisse Wahlausgang in Sachsen und Brandenburg, die SPD auf Führungssuche – und die schwächelnde deutsche Wirtschaft. Wenn sie sich am G7-Gipfel mit Donald Trump trifft, wird es um den Handelsstreit mit der EU gehen. Trump könnte die zu geringen deutschen Verteidigungsausgaben kritisieren und die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2. Als Dienstälteste hat Merkel aber viele Gipfel und Hitzköpfe hinter sich. Möglich, dass die Kanzlerin in ihrem Polit-Spätherbst noch nicht ausgelernt hat. Im Urlaub sah man sie in Stephen Greenblatts „Der Tyrann“ lesen. Er erklärt anhand von Shakespeare , wie Typen à la Trump funktionieren.
Emmanuel Macron (F):
Der Gastgeber will Punkte sammeln
Zu Beginn seiner Präsidentschaft vor mehr als zwei Jahren standen rund 60 Prozent der Franzosen hinter ihm. Heute sind es laut einer Umfrage nur noch 22 Prozent. In den zwei Jahren ist viel passiert, Macron mittlerweile als „Präsident der Reichen“ verschrien. Vertreter der Protestbewegung der „Gelbwesten“ demonstrieren seit November im ganzen Land gegen seine Reformpolitik.
Der Gipfel kommt dem angeschlagenen Präsidenten gerade recht. Er will ihn nutzen, um sich als wichtiger Player der Weltpolitik zu präsentieren und um Impulse für einen „neuen Multilateralismus“ und gegen die duale Weltordnung (
USA–China) zu setzen. Erneuerung, Reformen – das sind Macrons Leibthemen. Sie sind auch Motto in Biarritz am Wochenende.
Justin Trudeau (CAN):
Ehemaliger Shootingstar im Sinkflug
Knapp zwei Monate vor der nächsten Wahl steht der kanadische Premier Justin Trudeau nach wie vor wegen seines Verhaltens bei einem Bestechungsskandal unter Druck: „Ich finde, dass das, was im vergangenen Jahr passiert ist, nicht hätte geschehen dürfen“, sagte er, nachdem ihn eine Ethikkommission gerügt hatte. Ihm wird vorgeworfen, Ermittlungen gegen ein kanadisches Bauunternehmen behindert zu haben, das 31 Millionen Euro an den früheren libyschen Machthaber Gaddafi gezahlt haben soll. Rücktritte aus Trudeaus Kabinett waren die Folge, in Umfragen liegt er gleichauf mit der Konservativen Partei. Knapp vor dem G7-Gipfel meinte er gegenüber US-Außenminister Mike Pompeo, dass China das wichtigste Thema auf seiner Agenda sei.
Boris Johnson (GB):
Brexit, Neuwahl und der Briten-Spagat
Boris Johnson hat nicht nur einen Brexit vor sich, der das Land zumindest vorübergehend ins Chaos stürzen wird, sondern wahrscheinlich auch Neuwahlen – und für die braucht er Sündenböcke, die er für all das verantwortlich machen kann. Wer wäre da besser geeignet als Deutsche und Franzosen, die ihm in den vergangenen Tagen – erneut – die Neuverhandlung des Brexit-Vertrages blockierten. Die Fronten zwischen Großbritannien und dem Rest Europas sind verhärtet. Dennoch versucht Johnson am Wochenende in Biarritz den schwierigen Spagat zwischen der EU (etwa beim Thema Russland) und den USA (etwa beim Thema Iran). Denn an Washington wird London in Zukunft vor allem der Wirtschaft wegen noch näher heranrücken müssen.
Shinzo Abe (JAP):
Alter Hase mit unerfüllten Träumen
Nach Angela Merkel ist er der längstdienende G7-Regierungschef. Auf den ersten Blick sitzt Shinzo Abe in Japan fest im Sattel: Bei den Wahlen im Juli gewann er überlegen, verfehlte aber die Zwei-Drittel-Mehrheit. Genau diese hätte Abe gebraucht, um sein größtes Wahlversprechen einzulösen. Als er 2012 an die Macht kam, schwor er, den Anti-Kriegs-Paragrafen aus der Verfassung zu streichen, der Japan jegliche Art der Kriegsführung verbietet. Abe möchte auch die Verbrechen des II. Weltkriegs aus den Schulbüchern verbannen. Diese sind der Grund für den derzeitigen Handelskrieg mit Südkorea: Japan verweigert südkoreanischen Opfern Entschädigungen, beide Länder reagierten mit Sanktionen. Abes wichtigstes Ziel ist ein Handelsabkommen mit den USA.
Giuseppe Conte (ITA):
Angezählt und erschöpft
Mit einer zerbrochenen Regierung im Koffer reist Giuseppe Conte nach Biarritz. Nach nur einem guten Jahr an der Regierungsspitze in Italien ist Conte nur noch Übergangspremier. Als solcher vertritt er sein Land beim G7-Gipfel. Sein Experiment einer „neuen Art“ von Regierung – an der Spitze der Lega-Fünf-Sterne-Koalition – ist gescheitert. Neben dem scheidenden EU-Ratspräsidenten Donald Tusk, und dem umstrittenen Briten-Premier Johnson ist er damit ein weiterer europäischer Schwachpunkt bei dem Wirtschaftsgipfel. Auch intern hat Italien schwer zu kämpfen: Die Ökonomie schwächelt, die Schulden sind enorm, das Budget für 2020 ist in Schwebe, und als Klimasünder hat das Urlauberland zudem seine Reputation verloren.
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