EU-China-Experte: "Der Angriff auf Taiwan hat längst begonnen"

EU-China-Experte: "Der Angriff auf Taiwan hat längst begonnen"
Reinhard Bütikofer, Vorsitzender der China-Delegation im EU-Parlament, sprach mit dem KURIER über Europas Verhältnis zu China.

Mit der kommenden Europawahl am 9. Juni endet die lange Karriere des China-Experten Reinhard Bütikofers im EU-Parlament. Im KURIER-Gespräch blickt das Urgestein der deutschen Grünen zurück auf den Wandel der chinesisch-europäischen Beziehungen, auf einen "spektakulär dummen" Sager Emmanuel Macrons - und erklärt, warum die China-Reise des deutschen Kanzlers Olaf Scholz in dieser Woche beweist, dass die neue deutsche China-Strategie noch nicht im Kanzleramt angekommen ist.

EU-China-Experte: "Der Angriff auf Taiwan hat längst begonnen"

Der grüne EU-Abgeordnete und Vorsitzende der China-Delegation im EU-Parlament: Reinhard Bütikofer.

Reinhard Bütikofer war von 2002 bis 2008 einer der beiden Bundesvorsitzenden der deutschen Grünen. 2009 zog er für die Partei ins EU-Parlament ein, seither sitzt er dort im außenpolitischen Ausschuss. 

In seiner Jugend beschäftigte sich Bütikofer viel mit China, war unter anderem in der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft und im maoistischen kommunistischen Bund Westdeutschland aktiv. Inzwischen ist er seit fünf Jahren Vorsitzender der China-Delegation im EU-Parlament und einer der führenden Experten zum Umgang mit Peking. Bei der kommenden EU-Wahl wird der 70-Jährige nicht mehr antreten.

KURIER: Sie sind seit 2009 im EU-Parlament, sitzen dort im außenpolitischen Ausschuss und haben seit fünf Jahren den Vorsitz der Chinadelegation. Wie hat sich in diesen 15 Jahren das Verhältnis zwischen Europa und China verändert?

Reinhard Bütikofer: Ein entscheidender Moment war die Machtübernahme von Xi Jinping 2012. Damals begann eine politische Rolle rückwärts. Die Kommunistische Partei mischte sich wieder viel stärker in das Alltagsleben der Bürgerinnen und Bürger ein, kleine Freiheiten verschwanden, kritisches Denken wurde ziemlich gefährlich. Die Wirtschaft wurde völlig der Parteipolitik unterworfen, auch die Außenpolitik wurde deutlich aggressiver.

2019 begann die EU, von ihrer blauäugigen Win-Win-Rhetorik abzurücken und China zwar noch als Partner, aber auch als Wettbewerber und systemischen Rivalen zu begreifen. Mit brutalen Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren und mit der Einführung des nationalen Sicherheitsgesetzes in Hongkong bewies Chinas Führung den Willen zur totalen Macht und die Bereitschaft, internationale Verträge einfach zu brechen.

2021, als China Sanktionen gegen Mitglieder des Europäischen Parlaments und gegen Thinktanks wie MERICS (Mercator-Institut für Chinastudien, Anm.) verhängte, wurde das Verhältnis noch einmal schlechter. Vor zehn Jahren hatten zwei Drittel der Europäer ein positives Bild von China. Heute ist es genau umgekehrt.

Die Bezeichnung Chinas als "Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale" findet sich auch in der China-Strategie der deutschen Bundesregierung wieder, die 2023 veröffentlicht wurde. Wie muss Europa aus Ihrer Sicht mit China umgehen?

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