Für die Koalitionspartner war im Regierungsflieger kein Platz. Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz am Samstag zu seiner viertägigen China-Reise aufbricht, wird er von einer ganzen Armada deutscher Wirtschaftsbosse begleitet und der Airbus A350 voll besetzt sein. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) müssen daher am Sonntag nachfliegen, Digitalisierungsminister Volker Wissing (FDP) reist am Montag aus Singapur an.
Es ist ein Staatsbesuch von einer Größenordnung, die an die Merkel-Ära erinnert, als man in Berlin noch davon ausging, unter dem Motto "Wandel durch Handel" zur demokratischen Entwicklung Chinas beitragen zu können. In vier Tagen bereisen der Kanzler, die drei Minister und zwölf Geschäftsführer die Millionenstädte Chongqing, Shanghai und Peking, wo Scholz am Dienstag sogar Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping treffen wird.
Dabei hat die deutsche Regierung erst im Sommer ihre nationale China-Strategie präsentiert, in der das Reich der Mitte gleichzeitig als "Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale" bezeichnet wird. Wie passt das zusammen?
Scholz gilt in China als "rational" und "besonnen"
Scholz ist, das zeigt nicht nur die Sitzplatz-Anekdote, ein Kanzler, der ein gutes Verhältnis zur deutschen Wirtschaft pflegt. Und die pflegt nach wie vor ein hervorragendes Verhältnis zu China: Die Volksrepublik ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, vor allem die mächtige Autoindustrie macht dort den Großteil ihres Umsatzes.
Die deutsche Delegation wolle deshalb trotz aller politischen Schwierigkeiten in den Beziehungen "positive Kooperationsfelder herausarbeiten", erklärt der Ökonom Max Zenglein vom Berliner Mercator-Institut für Chinastudien (MERICS). "Deutschland hat eine Sonderrolle bei den Wirtschaftsbeziehungen mit China, in den USA oder in Japan hat sich die Politik schon weitaus schärfer gegenüber Peking positioniert."
Gerade deshalb genießt Scholz in China einen guten Ruf. Chinesische Staatsmedien preisen ihn als "rational" oder "besonnen", als "Anker der Neutralität" in einer feindseligen EU. Chinesisches Zuckerbrot, das auch Staats- und Parteichef Xi Jinping dem Kanzler servieren wird, wenn er ihn am Dienstag in Peking empfängt. Schließlich findet das Treffen vor dem Hintergrund einer drohenden Eskalation in den chinesisch-europäischen Wirtschaftsbeziehungen statt.
Die EU fordert Zölle auf chinesische E-Autos, Deutschland zögert - aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen
Im Oktober leitete die EU-Kommission eine Untersuchung der chinesischen Elektroauto-Industrie ein - weil etliche Ökonomen Chinas Regierung vorwerfen, heimische Firmen mit derart viel Staatsgeld zu unterstützen, sodass chinesische E-Autos im Vergleich zur Konkurrenz selbst in Europa deutlich billiger angeboten werden können.
Sollten diese Subventionen aus Sicht der Kommission tatsächlich ungerechtfertigt und marktverzerrend sein, könnte die EU Importzölle für chinesische E-Autos verhängen. Eigentlich müsste das im Sinne der deutschen Auto-Industrie sein. Doch weil Firmen wie VW, BMW und Mercedes den Großteil ihres Geschäfts in China machen, fürchten sie mögliche Vergeltungsmaßnahmen.
Genau deren Vertreter sind es, mit denen Scholz sich nun vier Tage umgibt. Mercedes-Geschäftsführer Ola Källenius sprach sich etwa mehrfach öffentlich gegen die Strafzölle aus und erklärte sogar, De-Risking bedeute für ihn, "mehr in China zu investieren". Seine Kollegen werden dem Kanzler ähnliches zu erzählen haben. Kein Wunder also, dass Scholz selbst schon andeutete, Maßnahmen gegen Chinas E-Auto-Industrie abzulehnen.
Grüne und FDP kritisieren Scholz für dessen China-Haltung
Damit stellt sich der SPD-Chef beim Umgang mit China erneut, wie schon beim Teilverkauf des Hamburger Hafens an den chinesischen Staatskonzern Cosco, an die Seite deutscher Großkonzerne - und gegen die eigenen Koalitionspartner.
Schon im Vorfeld der Reise hagelte es daher Kritik: Scholz müsse einsehen, dass "ein geopolitischer Kampf um die Zukunftsmärkte stattfindet", mahnte Chantal Kopf, die Handelssprecherin der Grünen. FDP-Wirtschaftssprecher Reinhard Houben meinte gar, Scholz solle der EU-Untersuchung mit seinen Aussagen "nicht im Wege stehen".
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