Man spricht mit dem Sprachassistenten im Auto wie mit einem Freund. Ohne Tasten zu drücken, wird das Fenster aufgemacht, die gewünschte Temperatur eingestellt, der passende Song abgespielt und ein bestimmtes Ziel angesteuert.
Das moderne Auto hört zu, filmt, speichert ab. Und weiß immer, was sich im Inneren während der Fahrt tut.
Die Frage, wie es um den Schutz persönlicher Daten steht, können die meisten Passagiere nicht beantworten. Sie verlassen sich auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Dass nun chinesische E-Autos und Hybridmodelle in Europa zum Einsatz kommen sollen, lässt viele hellhörig werden.
Gerade jener Staat, der es mit dem Datenschutz in der eigenen Bevölkerung nicht ganz so ernst nimmt. Der KURIER hat zwei Experten befragt.
Was bedeutet das für Europa?
Maximilian Mayer lehrt an der Universität Bonn. Sein Spezialgebiet sind Internationale Beziehungen und globale Technologiepolitik. Er schätzt die Situation rund um den chinesischen E-Automarkt so ein: "So ein fahrendes Auto sammelt und besitzt mittlerweile genauso viele Daten wie ein Smartphone. Und hier kommt natürlich eine potenzielle Gefahr ins Spiel. Wo werden die gesammelten Daten abgespeichert? Wie sicher sind die Autos vor Hacker-Angriffen? Wie sicher ist die Software allgemein?" Hier gelten die gleichen technologischen Fragen, die das sogenannte Internet 3.0 mit sich bringe. Das sehen wir schon lange beim Smartphone oder Computersystemen."
Christian Göbel ist Professor am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Wien und beschäftigt sich in seiner Forschung mit dem Zusammenhang zwischen technologischer Innovation, politischer Innovation und Regimestabilität in Ostasien. Er erklärt die Situation wie folgt: "In chinesischen E-Autos ist Software installiert, die eine digitale Verbindung zwischen Auto und Produzent herstellt. Ob es sich bei den Firmen um Staats- oder Privatunternehmen handelt, ist erstmal egal. Denn wenn der chinesische Staat Daten haben will, müssen die Firmen sie weitergeben."
Diese Infos dienen zunächst dazu, die verwendete Software zu verbessern. Über dem steht: In China sei jede Firma - egal ob Privatunternehmen oder nicht - dazu verpflichtet, mit dem Staat zusammen zuarbeiten. Die Unternehmen stehen in Verbindung mit der Regierung und die übe starke Kontrolle aus. "Das bedeutet, dass unsere Datensicherheit dem Einfluss der chinesischen Regierung ausgesetzt ist", fährt Göbel fort.
Eine neue Stufe der Abhängigkeit
Warum chinesische E-Autos so boomen, sei leicht erklärt. "Die Technologien sind einfach extrem stark. China ist - abgesehen von Tesla in den USA - der Innovationstreiber am Automarkt. Die Wagen sind günstiger, innovativer und einfach besser", sagt Mayer. Das Hauptproblem liege in der digitalen Abhängigkeit.
"Europa ist doppelt abhängig. Die Software kommt aus den USA, die Hardware aus China. Das ist besonders bitter. Und wenn jetzt die chinesischen E-Autos nach Europa kommen, könnten die Europäer in diesem Sektor rasch sowohl bei Hard- als auch bei Software von China abhängig werden." Es werde also eine neue Stufe der Abhängigkeit erreicht. "Eine einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von technologischen Produkten und Plattformen aus China und den USA heißt auch wachsende geopolitische Vulnerabilität der europäischen Wirtschaft", erklärt Mayer.
"Welche Industrie unterstützt man hier überhaupt?"
Der preisliche Unterschied werfe politische Fragen auf, findet Göbel. Fakt sei, dass chinesische E-Autos im Vergleich zu Tesla oder europäischen Wagen wie Renault oder BMW günstig sind. "Aber bei den geringen Preisen darf man nicht ignorieren, woher diese Modelle stammen. Und unter welchen Arbeitsbedingungen in China produziert wird. Welche Industrie unterstützt man hier überhaupt?"
Auch Mayer ist der Meinung, man müsse sich genau überlegen, welches politische Signal gesendet wird. "Klar, der europäischen Wirtschaft geht's schlecht, also kauft man gerne günstige Wagen ein. Die Kehrseite der Medaille ist, dass die Gelder der Steuerzahlenden verwendet werden, um einen Staat mit einem fragwürdigen politischen System zu unterstützen."
Ein technologisches Wirrwarr
Die USA hingegen versuchen, chinesische Technologien zu blockieren, um deren globalen Einfluss zu beschränken. Längst herrsche ein geopolitischer Wettlauf zwischen den USA und China, um die Vorherrschaft bei der KI, dem Mobilfunkstandard 5G und autonomen Transportmitteln.
Hierzulande erwache man erst aus dem technologischen Dornröschenschlaf. Und stehe vor der Herausforderung, Technologien zu definieren und Regelungen politisch umzusetzen. Weniger mit Fokus auf konkurrierenden Machtkampf und Geopolitik, sondern eher mit Blick auf ethische Grundfragen und auf die Folgen der Digitalisierung für die Bevölkerung.
Und andersrum? Was denkt der chinesische Markt über US-Autos oder europäische?
Im Grunde gelte in China das Gleiche für Tesla, so Mayer. "In China dürfen hochrangige Parteikader und Militärs keine Tesla als Dienstwagen fahren. Auch hier herrscht eine Angst vor Überwachung. Und dass Bewegungsdaten in die USA wandern könnten. Deshalb gibt es dort auch sehr strenge Datenschutzregelungen. Die lokale Speicherung von Nutzerdaten und strenge Exportrestriktionen für Daten-Export gelten in China für alle Anbieter auf dem Automobilmarkt." Was aber nicht bedeutet, dass in China keine Tesla ver- und gekauft werden. In Shanghai gibt es ein riesiges Werk, wo Tesla produziert wurden.
Offiziell machen die chinesischen Firmen auch nichts mit unseren Daten. Zumindest unterliegen sie der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung. "Das heißt, die Daten können nicht über die Grenze entwischen, sondern werden lokal in Europa gespeichert", so Mayer. Aber, wo die Daten letztendlich hinwandern, könne man nie genau wissen. Ein Risiko bestehe immer.
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