Kann die Etikettierung als „grün“ noch verhindert werden?
Nein, denn 20 der 27 Mitgliedsstaaten müssten den Rechtsakt der EU-Kommission bis 12. Jänner ablehnen. Das allerdings wird nicht geschehen: Nur Österreich, Luxemburg, Dänemark und Portugal sind kategorisch gegen die Einstufung der Atomkraft als „nachhaltige Energieform“. Zwar ist auch Deutschland, das ja Ende 2022 ganz aus der Atomkraft aussteigen will, im Prinzip dagegen – doch so lautstark wie Österreich will sich die noch junge Ampelkoalition in Berlin nicht gegen Paris stellen. Die Reaktion des grünen deutschen Klimaschutzministers Robert Habeck fiel vergleichsweise zurückhaltend aus: „Ausgerechnet Atomenergie als nachhaltig zu etikettieren, ist bei dieser Hochrisikotechnologie falsch.“
Frankreich, zweitgrößter Atomstromproduzent der Welt, war mächtigster Treiber hinter dem Ziel, Atomkraft in die Taxonomieliste der EU aufzunehmen. Auch sämtliche osteuropäische Staaten plädieren für Atomkraft.
Warum braucht es überhaupt eine Taxonomie?
Sie ist eine Art Liste, eine europaweite Klassifizierung, was grüne Wirtschaftstätigkeiten sind und was nicht. Technologien, die sich auf der EU-Taxonomie wiederfinden, sollen demnach nachhaltig und klimafreundlich sein und keinen „signifikanten Schaden anrichten“ – also eine Art grünes Gütesiegel sein. Investoren sollen anhand dieser Liste wissen, ob ihr Geld wirklich in grüne Anlagen fließt. Die Taxonomie-Liste verpflichtet zu nichts, sie ist aber eine für die Finanzmärkte wichtige Orientierungshilfe.
Wozu führt die Einstufung von Gas und Kernkraft als nachhaltig?
Umweltverbände, Politiker aller österreichischer Parteien sowie Nichtregierungsorganisationen kritisieren, dass die gesamte Taxonomie dadurch unglaubwürdig werde. Wenn etwa Privatanleger ihr Geld in grüne Finanzprodukte investieren möchten, und die EU-Taxonomie die Standards vorgibt, kann es sein, dass das Geld in Gasprojekte oder Atomkraftwerke fließt.
Wird dadurch das Geld österreichischer Steuerzahler in den Bau neuer Atomkraftwerke fließen?
EU-Budgetkommissar Johannes Hahn schließt im Gespräch mit dem KURIER kategorisch aus, „dass die Mittel, die die EU zur Verfügung stellt, in die Finanzierung von Atomkraft fließen werden“. Was die EU aber prinzipiell tun kann, ist staatliche Förderungen zu genehmigen. Und die werden alle Staaten brauchen, die künftig Atomkraftwerke bauen wollen. Gegen eine solche Staatshilfe für das britische AKW Hinkley Point hatte Österreich geklagt – und ist damit vor dem EuGH gescheitert.
Was kann Österreich jetzt noch tun?
Umweltministerin Leonore Gewessler hat angekündigt, gegen die Verordnung der Kommission zu klagen. Ein entsprechendes Rechtsgutachten hatte die Ministerin schon vor Monaten in Auftrag gegeben. Der vorliegende Entwurf der Verordnung soll in den kommenden Tagen genau geprüft werden.
Warum gilt auch fossiles Gas in der EU-Taxonomie als nachhaltig?
Hier hat Deutschland Druck gemacht. Ohne neue Gaskraftwerke – zumindest als Übergang – fürchtet Deutschland, den Ausstieg aus der treibhausgasintensiven Kohleverstromung nicht zu schaffen. Nun stuft die EU Gas zumindest als grüne „Brückentechnologie“ ein.
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