Elf Stunden bei Xi: Von Scholz’ Kritik wird nicht viel bleiben
"Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin", resümierte der deutsche Kanzler Olaf Scholz am Ende seines lediglich elfstündigen Aufenthalts in der chinesischen Hauptstadt. Als erster westlicher Regierungschef seit Beginn der Corona-Pandemie war Scholz am Freitag Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping persönlich gegenübergetreten. Doch sein Fazit klang nicht umsonst wie eine Rechtfertigung.
Am Zeitpunkt der Reise hatte der Kanzler in Deutschland viel Kritik ernten müssen, sogar aus dem Inneren seiner Ampel-Koalition. Denn vor nur zwei Wochen hatte Xi am kommunistischen Parteitag seine Macht massiv ausgebaut und sich das Präsidentenamt de facto auf Lebenszeit gesichert.
Vergleicht man Scholz’ China-Besuch mit jenen seiner Vorgängerin Angela Merkel, so wird deutlich, wie stark sich die Volksrepublik unter dem Alleinherrscher Xi Jinping verändert hat. Staat und Partei stehen so fest unter seiner Kontrolle wie nie, die Null-Covid-Politik hilft ihm dabei, auch die Bevölkerung einzuschränken.
So fiel der Handschlag zwischen Xi und Scholz aufgrund der Corona-Auflagen ebenso aus wie die Übernachtung der deutschen Delegation, die noch am Freitagabend abreiste. Doch auch das sonst bei Besuchen deutscher Kanzler übliche Treffen mit Vertretern der chinesischen Zivilgesellschaft wurde ersatzlos gestrichen.
Atomwaffen-Warnung
China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, für beide Seiten ging es in den Gesprächen also vor allem darum, die wirtschaftliche Zusammenarbeit wieder zu vertiefen, die zuletzt laut Scholz "für deutsche Firmen schwieriger geworden ist". Zu diesem Zweck wurde Scholz auch von mehr als 20 Spitzenmanagern deutscher Konzerne begleitet.
In Richtung Heimat hatte Scholz aber schon vorab angekündigt, er würde mit dem mächtigen Xi "selbstverständlich" auch über jene Themen sprechen, "wo wir unterschiedliche Perspektiven verfolgen". Einer davon ist die Beurteilung der russischen Invasion in der Ukraine: "Ich habe Präsident Xi gesagt, dass es wichtig ist, dass China seinen Einfluss auf Russland geltend macht", so Scholz. Xi erwähnte Russland mit keinem Wort, aber verurteilte immerhin einen möglichen Einsatz von Atomwaffen.
Taiwan und die Uiguren
Eine besondere Bedeutung für Deutschland hat auch die Verfolgung der uigurischen Minderheit in Chinas nordwestlicher Region Xinjiang. In keinem anderen Land leben heute so viele geflüchtete Uiguren wie in Deutschland. Ihre inoffizielle Vertretung, der Weltkongress der Uiguren, ist in München ansässig. Scholz erklärte vor dem Abflug am Freitag, er habe Xi darauf hingewiesen, dass alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen sich zur Wahrung der Menschenrechte verpflichtet haben und dass es somit "keine Einmischung in innerchinesische Angelegenheiten" sei, als deutscher Kanzler darauf zu pochen.
Aus chinesischer Sicht lässt sich die Argumentation nicht auf den Taiwan-Konflikt ausweiten, in dem Scholz Xi ebenfalls zur Mäßigung aufgerufen haben soll. China sieht die Insel als Teil seines Territoriums, Xi drohte bei seiner Wiederwahl als Parteichef vor zwei Wochen erneut mit ihrer Eroberung.
Stolz meinte Scholz, der Zeitpunkt der Reise wäre perfekt gewesen, "um Bewegung in festgefahrene Strukturen zu bringen". Dabei ist es äußerst unwahrscheinlich, dass ein Mann wie Xi sich auch nur einen der angesprochenen Punkte zu Herzen nehmen wird. Im Gegenteil: Gemeinsam mit dem Teilverkauf des Hamburger Hafens an den chinesischen Staatskonzern Cosco dürfte der Scholz-Besuch Xi eher deutlich machen, dass er von diesem Kanzler keine Unbequemlichkeiten erwarten muss.
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