Jetzt ist Xi Jinping endgültig der mächtigste Mann der Welt
Es war eine bemerkenswerte Machtdemonstration. Zum Abschluss eines Parteitags, bei dem in der Großen Halle des Volkes in Peking kein Namensschild falsch platziert, keine Teetasse falsch ausgerichtet und keine Wortmeldung eine Sekunde zu lang gedauert hatte, kam es doch zu einer Unregelmäßigkeit. Unmittelbar, nachdem die Journalisten wieder in den Saal gelassen worden waren, schritten zwei Sicherheitsmänner an den Platz rechts neben Staatspräsident Xi Jinping, packten dessen Vorgänger Hu Jintao am Arm und führten ihn ab.
Der 79-jährige Hu, der stets als Befürworter einer marktwirtschaftlich orientierten Politik und guter Beziehungen zum Westen eintrat, galt eigentlich, wie alle chinesischen Ex-Präsidenten auch, nach seiner Karriere als unantastbar. Seinen Rauswurf begründete die Partei kurz darauf mit einem "Unwohlsein", doch Xi stellte damit bereits am Samstag klar, worauf dieser 20. Parteitag hinauslaufen würde: Auf einen Bruch mit über Jahrzehnte etablierten Regeln und der Konzentration aller politischen Macht auf eine Person - Xi Jinping selbst.
Xi montiert all seine Widersacher ab
Es war bezeichnend, dass Hu bei seinem Weg aus dem Saal im Vorbeigehen noch dem scheidenden Premierminister Li Keqiang auf die Schulter klopfte. Li galt bis Sonntag als einflussreichster Kritiker von Xis Machtpolitik, als Chinas Nummer Zwei versuchte er zehn Jahre lang, ein Gleichgewicht der Macht in der Volksrepublik aufrecht zu erhalten - auch, indem er Verbündete um sich scharte, um den Präsidenten von wirtschaftspolitisch fragwürdigen Entscheidungen wie der Null-Covid-Politik abzubringen.
Gerade weil Chinas Wirtschaft in diesem Jahr angeschlagen ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr - die Weltbank prognostizierte zuletzt ein Wirtschaftswachstum von gerade einmal 2,8 Prozent - war viel darüber spekuliert worden, ob der Parteiflügel um Li Keqiang bei diesem Parteitag an Einfluss gewinnen würde. Auch der KURIER berichtete.
Nun ist klar: Das Gegenteil war der Fall. In Chinas höchstem politischen Gremium, dem sechsköpfigen ständigen Ausschuss des Politbüros, verloren sowohl Li als auch dessen Verbündete Han Zheng und Wang Yang, der sogar als möglicher Nachfolger für den Posten des Premierministers galt, ihre Sitze.
Hohe Ämter nur noch mit Loyalisten besetzt
Li Zhanshu, einer der engsten Vertrauten des Präsidenten, musste aufgrund seiner 72 Jahre ebenfalls gehen. Damit waren vier der sechs Plätze im ständigen Ausschuss neu zu besetzen - Xi nutzte das für einen endgültigen Staatsstreich.
Die sechs Herren, die am Sonntag nach dem "Obersten Führer" aus der großen Halle des Volkes vor die Presse traten, waren ihm allesamt loyal ergeben. Ein Überblick über die neuen mächtigsten Männer Chinas:
Li Qiang (63)
Der bisherige Gouverneur der Provinz Shanghai trat als erster Funktionär nach Xi Jinping aus der Großen Halle des Volkes. Das heißt: Li wird mit Sicherheit im Frühjahr zum Premierminister und damit zweitmächtigsten Mann in China aufsteigen. Als solcher war er schon seit Jahren im Gespräch, das Covid-Chaos in Shanghai in diesem Jahr schädigte allerdings seine Reputation.
Zhao Leiji (65)
Seit fünf Jahren leitete Zhao die staatliche Anti-Korruptionsbehörde, die dem Präsidenten in erster Linie als Machtinstrument diente und hart gegen dessen politische Widersacher vorging. Gilt als äußerst loyal Xi gegenüber - und wird dafür mit fünf weiteren Jahren im ständigen Ausschuss belohnt.
Wang Huning (67)
Wang hält sich für einen chinesischen Politiker ungewöhnlich lange an der Parteispitze - Xi ist bereits der dritte Präsident, den er in führender Rolle berät. Er gilt als Chefideologe und "graue Eminenz" des nationalistischen Parteiflügels um Xi Jinping. Für seine Treue wird er mit weiteren fünf Jahren in dieser Funktion belohnt.
Cai Qi (66)
Die größte Überraschung im ständigen Ausschuss ist der 66-jährige Parteichef der Provinz Peking. Cai gilt als unkonventionell, dafür spricht schon alleine, dass er sich - anders als in der Partei üblich - nicht die Haare färbt. Er setzte die Null-Covid-Politik in der Hauptstadt eisern um und sorgte dafür, dass die Olympischen Spiele zum Erfolg wurden - dafür wurde er belohnt.
Ding Xuexiang (60)
Seit mehr als fünfzehn Jahren arbeitete Ding eng an der Seite Xi Jinpings, zuletzt als dessen Stabschef. Es galt seit Monaten als sicher, dass der Sechzigjährige in den ständigen Ausschuss einzieht - auch wenn er als einziges der sechs Mitglieder noch nie eine Provinz verwaltet hat.
Li Xi (66)
Der Aufstieg des Gouverneurs von Guangdong, einer der wichtigsten Regionen für die chinesische Wirtschaft, galt schon länger als sicher. Er soll ein enger Freund Xis sein, seit er für dessen Vater arbeitete. Es ist also offensichtlich, dass Li dem Präsidenten ebenfalls treu ergeben ist.
Kein Autokrat verfügte jemals über solche Ressourcen
Offiziell zumindest soll der ständige Ausschuss gemeinsam mit dem Präsidenten die Richtung in allen politischen Bereichen vorgeben. Bei Entscheidungen gilt das Konsensprinzip - das heißt: Es wird so lange debattiert, bis man einen Kompromiss findet, auf den sich alle einigen können. In der Vergangenheit dauerten solche Debatten mitunter bis zu zwei Wochen, bis ein Kompromiss zwischen Xis Befürwortern und Gegnern gefunden war - etwa bei Chinas Haltung zur russischen Invasion in der Ukraine.
In Zukunft dürften solche Besprechungen deutlich schneller erledigt sein. Xi hat seine Macht damit nicht nur gefestigt, sondern massiv ausgebaut. Er sitzt nun an der Spitze eines völlig auf ihn ausgerichteten politischen Apparats und verfügt über eine Machtfülle wie vor ihm wohl nur Staatsgründer Mao Zedong.
Doch Xis China ist weit mächtiger als es Maos jemals war: In der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt leben heute mehr als 1,4 Milliarden Menschen. Noch nie in der Menscheitsgeschichte verfügte ein Alleinherrscher über solche Ressourcen.
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