Xi kam einst als sogenannter „Prinzling“ auf die Welt. So werden die Nachkommen der ersten kommunistischen Führungsriege in China genannt. Sein Vater, Xi Zhongxun, kämpfte im Bürgerkrieg an der Seite Mao Zedongs und stieg in den ersten Jahren der Volksrepublik bis zum stellvertretenden Ministerpräsidenten auf.
Gemeinsam mit dem Rest der Partei-Elite lebte die Familie in Peking abgeschottet hinter den Steinmauern von Zhongnanhai, einer einstigen Parkanlage aus der Kaiserzeit, die der Kommunistischen Führung bis heute als Zuhause dient.
Von der Partei geächtet
Xis Vater galt als äußerst ambitioniert – in der kommunistischen Partei Chinas eine gefährliche Eigenschaft. Zu Beginn der Kulturrevolution, einer Phase, in der Mao in jedem Winkel der Partei Verräter wähnte und gegen die Oberschicht im eigenen Land vorging, soll Xi Zhongxun ein Buch veröffentlicht haben, in dem er seine eigenen Erfolge im Bürgerkrieg zu stark hervorhob. Mao schloss ihn aus der Partei aus und setzte ihn drei Jahre lang unter Hausarrest.
Von einem Tag auf den anderen galt die Familie Xi als geächtet und wurde zum Ziel der „Roten Garde“, wie Maos Bürgerwehren während der Kulturrevolution genannt wurden. Jahrzehnte später erzählte Xi Jinping in einer Dokumentation davon, dass er gemeinsam mit seinen Geschwistern in einem Hinterhof zusammengetrieben und mit Steinen beworfen wurde. Selbst die eigene Mutter wurde gezwungen, mitzumachen. Xis ältere Schwester nahm sich in dieser Phase das Leben.
Nach drei Jahren Hausarrest wurde der Vater im Jahr 1965 schließlich in ein Arbeitslager verlegt. Und Xi Jinping musste mit fünfzehn Jahren, wie damals alle „Prinzlinge“, auf Vorgabe Maos alleine auf das Land ziehen – um bei einer Bauernfamilie einen Einblick in das Leben des Proletariats zu bekommen.
Macht steht über allem
Heute, wo Xi nach zehn Jahren als „Oberster Führer“ Chinas einen Personenkult etabliert hat, ist das Dorf Liangjiahe eine beliebte Attraktion für chinesische Touristen geworden. Das Museum, in dem er einst hauste, preist heute die Leidenschaft für die Partei, die das einfache Leben erneut in ihm entfacht hätte. Von den dunklen Seiten seiner Biografie findet sich dagegen keine Spur.
Dass Xi sich trotz der Demütigungen seiner Kindheit nicht wie die meisten der „Prinzlinge“ von der Partei abwandte und sofort nach Maos Tod ins Ausland floh, führen Beobachter wie Sue-Lin Wong, China-Korrespondentin des Economist, dagegen auf die Lektionen zurück, die Xi aus seiner Kindheit in Peking zog. Der tiefe Fall seines Vaters habe ihn gelehrt, welche Folgen der Verlust von Macht im kommunistischen China nach sich ziehen kann. Und dass nur derjenige gefahrlos lebt, der selbst an der Spitze der Partei steht.
Erst als Präsident zeigte er sein wahres Gesicht
In den folgenden Jahrzehnten als Parteifunktionär blieb Xi stets unscheinbar, aber eisern auf Linie. Dass er 2007 überraschend in den ständigen Ausschuss des Politbüros - das höchste politische Gremium des Landes - gewählt wurde, lag auch daran, dass er keinem der beiden rivalisierenden Parteiflügel angehörte. Ebenso wie sein Aufstieg zum Vizepräsidenten und damit designierten Nachfolger von Präsident Hu Jintao nur ein Jahr später.
Die Lektionen seiner Jugend wurden erst mit dem Beginn seiner Herrschaft endgültig sichtbar. Dem Aufstieg Chinas zur Weltmacht Nummer eins ordnet Xi seit zehn Jahren alles andere unter. Seinen eigenen Platz an der Spitze zementierte er spätestens, seit er 2019 die Amtszeitbeschränkung für Präsidenten aufheben ließ. Ab dem kommenden Sonntag, wenn in Peking der 20. kommunistische Parteitag beginnt und Xi als erster Parteichef seit Mao in eine dritte Amtszeit gewählt wird, ist ihm auch einen Platz in den Geschichtsbüchern sicher.
Kommentare