Knapp 3.000 Kilometer westlich vom Pekinger Olympic Park entfernt, wo am 4. Februar 2022 die Olympischen Winterspiele feierlich eröffnet werden sollen, herrscht die Angst. In der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang soll die chinesische Regierung Lager betreiben, in denen Hunderttausende Angehörige der Minderheit der Uiguren schuften müssen, „umerzogen“ werden und sich erniedrigen lassen müssen. Aufgedeckt vor Jahren von Journalisten und Forschern – und die Welt weiß nicht, wie sie damit umgehen soll.
2015, als die Unterdrückung der Uiguren in China noch nicht in diesem Ausmaß bekannt war, gewann Peking das Rennen um die Olympischen Winterspiele 2022 – auch, weil die Einwohner etwa von München und Stockholm sich aus Gründen des Umweltschutzes und der Kommerzialisierung gegen die Kandidatur ausgesprochen haben. Als Gegner blieb Almaty, Kasachstan. Peking setzte sich durch und schreibt Geschichte als erster Ort, der sowohl Sommer- (2008), als auch Winterspiele ausrichtet.
Die Kritik an China existierte auch damals schon. Nun wird sie immer lauter. Mittlerweile stufen die USA die Unterdrückung der Uiguren als „Völkermord“ ein. EU, USA, Großbritannien und Kanada haben jüngst Sanktionen gegen Vertreter Chinas beschlossen.
„Genozid-Spiele“
Die logische Folge: eine Debatte über den möglichen Boykott der Spiele. Initiiert innerhalb der USA, gefolgt im Februar von 180 chinesischen Aktivistengruppen (Uiguren, Tibeter, Hongkonger, Dissidenten), die Druck auf Sponsoren, Sportverbände, Regierungen und Sportler machen und versuchen, den Namen „Genozid-Spiele“ zu etablieren.
„China, unter der Kontrolle der Kommunistischen Partei, verdient kein olympisches Vorzeigeprojekt“, schreibt der republikanische US-Senator Mitt Romney in einem Gastkommentar in der New York Times. Schon vor einem Jahr haben in den USA eine Handvoll Senatoren eine Resolution eingereicht, die das olympische Komitee auffordert, die Spiele 2022 neu auszuschreiben. In Kanada und Großbritannien gibt es ähnliche parlamentarische Initiativen. Auch im EU-Parlament formiert sich eine entsprechende Gruppe.
Den Aufrufen hallte bisher eisernes Schweigen entgegen. Doch die politischen Spannungen zwischen Peking und dem Westen verschärfen sich. Und langsam steigt auch der Druck wegen Olympia – vor allem auf die Sponsoren. Neben der schwedischen Modekette H&M hatten sich deshalb zuletzt auch Sportartikel-Hersteller wie Nike und Adidas gegen die Menschenrechtsverletzungen Chinas in Xinjiang ausgesprochen, wo laut Berichten unter Zwangsarbeit von Uiguren auch Baumwolle für den internationalen Markt hergestellt wird.
„Sorry!“
Beim IOC verwendet man in öffentlichen Erklärungen gerne die Formel „Respekt für Menschenrechte“. Eine entsprechende Strategie zur Einhaltung derselben lässt allerdings auf sich warten.
Die Forderung nach einem Boykott der Spiele in Peking sei „zum Scheitern verurteilt“, sagte Guo Weimin, ein Sprecher der chinesischen Regierung, vor wenigen Wochen.
IOC-Präsident Thomas Bach wurde kürzlich auf einer Pressekonferenz gefragt, ob er mit Xi Jinping über Xinjiang gesprochen habe. Der Deutsche blockierte: Das gehe die Öffentlichkeit nichts an. Dass er dann auch noch lapidar „sorry“ sagte, wurde medial ausgeschlachtet.
Aber natürlich sind die Menschenrechtsverletzungen Thema – auch für das IOC. Im Oktober waren die protestierenden Aktivistengruppen zur Aussprache beim Olympischen Komitee. Auch der Organisation ist bewusst, dass man eigentlich längst Richtlinien bräuchte. Im Falle von Peking 2022 ist es aber – wieder einmal – zu spät. Schon vor den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking hatte es Boykottaufrufe gegeben, allerdings wenig erfolgreich.
Nach wie vor gibt es vom IOC nach außen eine eindeutige Message: Boykotte bewirken nichts, sie bestrafen nur die Athleten.
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