Blick in den Osten: Die (beunruhigend) ruhige Situation bei unseren Nachbarn
Wer die Lage in den vom Coronavirus betroffenen Ländern vergleichen will, der wirft zunächst einen Blick auf die Statistiken. Dort liest man aktuell von knapp 800 Corona-Infizierten in der Slowakei, knapp 6000 in Tschechien oder 1500 in Ungarn. Je genauer man hinsieht, desto klarer wird aber: So eindeutig, wie der Blick auf die bloßen Zahlen das nahelegt, ist die Sache nicht. Denn wer als Corona-Toter gezählt, und wer überhaupt getestet wird, das wird höchst unterschiedlich gehandhabt.
Der KURIER hat sich angesehen, mit welchen Strategien unsere Nachbarländer im Osten versuchen, der Coronakrise Herr zu werden. Eines vorweg: Bei all den unterschiedlichen Strategien bei Testungen und Zählweisen - eine gemeinsame Tendenz gibt es doch. Kritiker haben's zurzeit besonders schwer. Nicht nur in Ungarn.
219 Fälle gab es in Slowenien, da ließ der gerade angelobte Mitte-Rechts-Premier Janez Janša das Zwei-Millionen-Einwohner-Land in den „Lockdown“ versetzen. Darum – und wegen vieler Tests – ist das Land bisher recht glimpflich durch die Krise gekommen; es gab 45 Tote. „Man hat die Situation ziemlich gut im Griff“, sagt Österreichs Wirtschaftsdelegierter Peter Hasslacher.
Janša, als zweimaliger Premier öfter mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, werden autokratische Tendenzen à la Viktor Orbán nachgesagt. Unabhängige Medien berichten, er habe alle mit der Pandemie befassten hohen Beamten ausgetauscht; „Reporter ohne Grenzen“ kritisiert ein Pressekonferenz-Verbot. Und auf Twitter teilt Janša wie Trump aus – gegen Journalisten.
Wie die Situation in Ungarn ist, lesen Sie in diesem längeren Beitrag:
Zumindest die Osterfeiertage waren bei unserem östlichen Nachbarn ähnlich wie bei uns geregelt: Keine Messen, keine Verwandtschaftsbesuche, rigorose Ausgangsbeschränkungen: Bewohnern der Hauptstadt Bratislava wurde sogar strikt untersagt, das Stadtgebiet zu verlassen, streng kontrolliert von Polizei und Militär.
Was die offiziellen Zahlen anbelangt, sind die in der Slowakei beeindruckend niedrig. Weniger als 800 Infizierte, nicht einmal ein halbes Dutzend Todesfälle.
Das aber erklärt sich auch aus der vergleichsweise geringen Anzahl von durchgeführten Tests. Zum Osterwochenende hatte man gerade einmal die 20.000er-Marke überschritten, in Österreich sind es fast sieben Mal so viele. Für viele Experten ergibt sich daraus klarerweise eine hohe Dunkelziffer.
Dazu kommt die in der Slowakei sehr strenge Definition eines Corona-Toten. Die Todesursache muss nachweislich das Virus sein, was bei älteren Patienten mit chronischen Krankheiten oft schwer festzustellen ist. Der konservative Premier Igor Matovic ist auf jeden Fall stolz auf die Leistung seiner Regierung. An Österreich, betont er, werden man sich kein Beispiel nehmen, da gebe es zehn Mal so viele Infizierte.
Bei der Maskenpflicht war man auf jeden Fall schneller als alle anderen. Schon Mitte März verordnete die Regierung das Tragen überall in der Öffentlichkeit. Von da an wurde sogar in den TV-Nachrichten mit Maske moderiert. Da es aber nicht genügend davon gab, machten sich Tausende tschechische Großmütter ans Nähen von bunten Stofflappen, die viele bald farblich abgestimmt zur Kleidung trugen. Bei den Zahlen – von den Tests bis zu den Toten – liegt man knapp hinter Österreich.
Daneben setzt das Land auf eine sogenannte „schlaue Quarantäne“. Bei jedem Infizierten sollen mit einer Handy-App und den Bankdaten alle Kontakte zurückverfolgt und getestet werden. Der Start in Südmähren verlief ziemlich holprig.
Branko Kolarić, Professor für Epidemiologie an der Lehranstalt für Public Health in Zagreb, bewertet die kroatische Strategie positiv: „Insbesondere, wenn ich mir ansehe, wie wenige Menschen bei uns intensiv behandelt werden müssen und dass nur 23 verstorben sind.“
Auf die Frage, warum sein Land deutlich weniger Infizierte und Tote aufweist als Österreich, sagt der Experte: „Wir haben am 25. Februar die Seniorenheime geschlossen, zwei Tage nach dem Bekanntwerden des ersten Infizierten in Kroatien. Zeitgleich wird unser Gesundheitspersonal rigoros kontrolliert.“
Kolarić erwartet, dass die Zahlen im Mai zurückgehen. Optimistisch schließt er: „Ich möchte im Juli ans Meer fahren.“ Und: „Ich hoffe, dass wir bald unbeschwert sein können, spätestens im Herbst.“
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