Auch wenn Religionsführer Ali Khamenei davon spricht, dass der Iran und die „Achse des Widerstands“ in Zukunft sogar noch stärker würden: Dieser Tiefschlag hat die iranische Position in der Region enorm geschwächt. Er hat aber auch Auswirkungen nach innen. Die Landeswährung Rial verlor noch einmal deutlich an Wert.
Aufgrund der US-Sanktionen gegen sich geht es dem Iran wirtschaftlich ohnehin überhaupt nicht gut. Dass der Iran so viel Geld in seine Milizen im Ausland pumpt, während es vielen Menschen im eigenen Land nicht gut geht, wird kritisch gesehen.
Feind Trump kommt zurück
Dazu rückt die Rückkehr von Feind Donald Trump ins Weiße Haus im Jänner immer näher. Die Beziehungen zwischen dem Republikaner und den Mullahs sind schwer vorbelastet, fuhr Trump während seiner ersten Amtszeit doch eine stark antiiranische Politik und kündigte das Wiener Atomabkommen auf.
Laut dem Wall Street Journal prüft Trump nun Maßnahmen, um den Iran anderweitig an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern: Mögliche Luftangriffe auf Atomanlagen sind demnach eine der Optionen.
Khamenei machte für den Sturz Assads wenig überraschend Israel verantwortlich - und die USA, die die Machtübernahme ihm zufolge inszeniert hätten. Eine Rede, die er dazu hielt, wurde aufgenommen und später veröffentlicht, und nicht live übertragen, wie in den letzten Jahren üblich.
Wie schwer der Verlust des Verbündeten für den Iran tatsächlich wiegt und wie sensibel das Thema für Khamenei ist, lassen auch die seither großen Medienzensurbemühungen erahnen.
Die iranische Generalstaatsanwaltschaft warnte davor, „Themen anzusprechen, die die psychologische Sicherheit der Gesellschaft gefährden und die Öffentlichkeit über die Situation verängstigen“. Selbst iranische Hardliner-Medien hatten nach dem syrischen Regime-Sturz Verluste für den Iran eingeräumt.
Kritiker sehen Parallelen
Manche sahen auch Parallelen zu Syrien und meinten, dem Iran könnte das gleiche Schicksal drohen - wenn Khamenei nicht langsam beginne, seinen Bürgern wieder mehr Freiheit zurückzugeben.
Einige deutlich kritische Aussagen wurden laut Iran International nach nur wenigen Stunden ohne Erklärung wieder gelöscht. Der ehemalige Abgeordnete Mahmoud Sadeghi erzählte, er sei vom Geheimdienst angerufen und gewarnt worden, öffentlich ja keine derartigen Vergleiche zu ziehen.
Gleichzeitig meldeten regimekritische Aktivisten und Journalisten aber schon länger, die iranischen Behörden würden ihre SIM-Karten sperren, anstatt sie zu verhaften. Seit der neue Präsident Massud Peseschkian im Sommer ins Amt kam - sein Vorgänger Ebrahim Raisi war bei einem Hubschrauberabsturz gestorben - sorgte dieser mit für den Iran überraschend liberalen Aussagen für Spekulationen. Er kündigte etwa an, die Sittenpolizei genauso wie die Internetsperren im Land beschränken zu wollen.
„Man will eine Verständigung mit dem Westen suchen, um Sanktionslockerungen zu erreichen“, interpretierte Nahost-Experte Ali Fathollah-Nejad das im Gespräch mit dem KURIER im September. Die halte Teheran aufgrund leerer Staatskassen für absolut notwendig, um das Regime zu stabilisieren.
Drakonisches Kopftuch-Gesetz aufgeschoben
Dass es mit dem neuen Präsidenten tatsächlich zu mehr Freiheiten für die Iraner kommen wird, ist aber keineswegs sicher - denn das letzte Wort hat Khamenei. Ein höchst umstrittenes und geplantes Gesetz, wonach Frauen ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit hohe Geldstrafen und sogar Haftstrafen drohen, wurde iranischen Medienberichten zufolge jetzt erstmal um ein paar Monate aufgeschoben.
Denn in größeren Städten hielten sich immer mehr Frauen nicht an die strengen Kleidervorschriften - jenes Thema, das im Jahr 2022 nach dem Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam Massenproteste auslöste.
Zuletzt setzte Sängerin Parastu Ahmadi ein Zeichen des Widerstands, als sie ohne Hidschab und in einem schulterfreien Kleid ein Online-Konzert gab. Am Samstag wurde Ahmadi gemeinsam mit zwei Bandmitgliedern festgenommen, nach 24 Stunden aber bereits wieder aus der Haft entlassen.
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